1892: Die zündende Idee
Rudolf Diesel erhält das Patent für den „Motor mit
Kompressionszündung“ – die Geburtsstunde des Dieselmotors. Ein
Jahr später realisiert der Ingenieur sein erstes Ziel: einen
lauffähigen Selbstzündermotor, bei dem der hoch komprimierte
Kraftstoff mittels Einblaskompressor in den Brennraum gelangt.
Doch der extrem voluminöse Motor eignet sich nur für stationäre
Anwendungen und als Schiffsantrieb. Noch in seinem Todesjahr
1913 schreibt Diesel, „dass der Automobilmotor kommen wird, und
dann betrachte ich meine Lebensaufgabe als beendet.“1909:
Die technische Basis
Der in Mannheim bei Benz & Cie. arbeitende Ingenieur Prosper
L’Orange widmet sich mit Leidenschaft Rudolf Diesels Traum:
Schnelllaufende, kompaktere Dieselmotoren, die sich als
Fahrzeugantrieb eignen. L’Orange konzipiert 1909 die
Vorkammereinspritzung und lässt sich das Verfahren des
Vorkammerdiesels patentieren. In den folgenden Jahren schafft
L’Orange mit drei weiteren Erfindungen – der Trichter-Vorkammer,
der Nadel-Einspritzdüse und der regelbaren Einspritzpumpe – die
Grundlage für die ersten Fahrzeugdieselmotoren, die zwischen
1919 und 1921 bei Benz & Cie. in Mannheim entstehen.
1923: Der erste Diesel-Lkw
In Mannheim entsteht bei Benz mit dem Typ 5K3 der erste
dieselgetriebene Lkw der Welt. Der Fünftonner verfügt über einen
Vierzylinder-Vorkammerdiesel mit 8,8 Liter Hubraum. Seine
Leistung: 45 bis 50 PS bei 1000 Umdrehungen pro Minute.
Praktisch zeitgleich kontert die Konkurrenz: In
Berlin-Marienfelde entwickeln die Ingenieure der
Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) einen fast gleich starken
Lufteinblasediesel für einen Lkw, und die Maschinenfabrik
Augsburg-Nürnberg (MAN) präsentiert einen Fahrzeugdieselmotor
mit direkter Kraftstoffeinspritzung. Damit streiten drei
Dieselkonzepte um den automobilen Einsatz.
1936: Premiere im Pkw
Nach der Fusion von Benz & Cie. mit der DMG zur Daimler-Benz AG
im Jahr 1926 gewinnt das zukunftsträchtigere Vorkammerprinzip
die Oberhand, und das Unternehmen stellt 1936 mit dem
Mercedes-Benz Typ 260 D den ersten serienmäßigen Diesel-Pkw vor.
Ausgestattet ist der Vierzylinder-Motor mit einer
Bosch-Einspritzpumpe, die höhere Drehzahlen und eine schnellere
Kraftstoffversorgung ermöglicht. Der Motor des 260 D liefert 45
PS bei 3200 Umdrehungen pro Minute. Der Wagen wird zum Liebling
aller Taxifahrer; er benötigt nur neun Liter Diesel pro 100
Kilometer; der gleich starke Benzinmotor schluckt vier Liter
Kraftstoff mehr. Vorkammerdieselmotoren behaupten sich
jahrzehntelang als Nutzfahrzeugantriebe. Ab den 1960er-Jahren
erwächst ihnen zunehmend Konkurrenz vom direkteinspritzenden
Dieselmotor.
1978: Auf Weltrekordkurs
Auf dem gut zwölf Kilometer langen Rundkurs von Nardo in
Süditalien zeigt das dieselgetriebene Forschungsfahrzeug
C111-III von Mercedes-Benz aller Welt, was in einem Diesel
steckt: Am 30. April 1978 purzeln insgesamt neun absolute
Geschwindigkeitsrekorde (unabhängig von Motortyp und Hubraum).
Die Durchschnittsgeschwindigkeit des Rekordwagens über zwölf
Stunden hinweg beträgt 315 km/h. Ebenfalls rekordverdächtig ist
der niedrige Verbrauch: knapp 16 Liter pro 100 Kilometer. Das
selbstzündende Herz im C111-III ist ein weitgehend der Serie
entsprechender 3-Liter-Dieselmotor, dessen Leistung dank
Abgasturbolader und Ladeluftkühlung auf 230 PS anwächst. Das
Drehmoment des Renndiesels: 402 Newtonmeter.
1997: Unter Hochdruck
Gemeinsam entwickeln Bosch und Daimler-Benz die
Common-Rail-Einspritzung (CDI für „Common-Rail Direct Injection“)
für Dieselmotoren. In einer gemeinsamen Leitung wird der
Kraftstoff permanent unter Hochdruck von bis zu 1350 bar durch
die variabel und exakt steuerbaren Einspritzdüsen gepresst. Die
Vorteile: mehr Leistung bei geringerem Kraftstoffverbrauch,
minimalen Emissionen und einer weiter gesenkten
Geräuschentwicklung.
2003: Reif fürs 21. Jahrhundert
Sparsamkeit, Komfort, Leistungsstärke und ein günstiges
Emissionsverhalten – mit diesen Eigenschaften empfehlen sich
heutige Dieselmotoren als zukunftsfähige Fahrzeugantriebe: Zum
Beispiel der 0,8-Liter-Dreizylindermotor im smart-Diesel macht
den kleinen Stadtflitzer zu einem echten Dreiliter-Auto. 4-, 6-,
8- oder vereinzelt sogar 10-Zylinder-Diesel-Motoren entwickeln -
auch und speziell in Geländewagen - Leistungen, die Rudolf
Diesel vor 100 Jahren wohl in seinen kühnsten Träumen nicht
vorausahnen konnte.
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