Wie oft hat man es in Geländewagen- und SUV-Testberichten schon
gelesen: "Ein Auto, das sowohl auf der Straße als auch im
Gelände gute Figur macht" ... oder sinngemäß. Den Autoren
solcher Berichte sei einmal keck unterstellt, dass sie mit den
jeweiligen Testvehikeln nie im wirklich schweren Gelände waren -
oder einfach die Werbetexte der Hersteller unkommentiert und
-verifiziert übernommen haben. Sonst hätten sie herausgefunden,
dass es bisher kaum Fahrzeuge gegeben hat, die in beiden Metiers
wirklich überzeugen können.
Toyota ist mit dem Land Cruiser 300 der Spagat gelungen, an dem
die meisten anderen Hersteller bisher gescheitert sind: Nämlich
einen Geländewagen zu bauen, der auf der Straße
großlimousinenhafte Fahreigenschaften aufweist und im Gelände
selbst dort noch hinkommt, wo der Wanderer zum Kletterer wird.
Innenraum
Doch der Reihe nach: Der Weg ins Gelände führt ja meist über
befestigte Straßen. Selten jedoch hat schon die Anfahrt zum
Offroad-Test so viel Spaß gemacht und war für Fahrer und
Passagiere so entspannend wie im neuen Land Cruiser. Im
Innenraum fühlen sich 5 - wenn die 3. Sitzreihe geordert
wurde auch 7 - Passagiere pudelwohl. Dafür sorgt die
umfangreiche Ausstattung: Dazu zählen eine für Fahrer und
Beifahrer getrennt regelbare Klimaanlage, ein ergonomisch
perfektes CD-/Kassettenradio mit 6-fach CD-Wechsler und bequeme
Sitze. Dass elektrische Helferlein für Fenster und Spiegel
vorhanden sind, bräuchte fast nicht erwähnt zu werden. Besonders
der Fahrer wird zusätzlich verwöhnt: Das Lederlenkrad ist längs
und in der Höhe verstellbar, der Fahrersitz so verstellbar, dass
auch Sitzriesen komfortabel untergebracht sind, Automatik und
Tempomat ermöglichen entspanntes Fahren.
Auch bei der optischen Gestaltung hat sich Toyota viel Mühe
gegeben: Das Multi-Info-Display zeigt sich in Eisblau, die
Armaturentafel in "Optitron"-Technologie ist ein Augenschmaus.
Dass sich Alu-Applikationen direkt neben Wurzelholz finden, ist
aber fast schon zuviel des Guten.
Sicherheit
Der Land Cruiser setzt im 4x4-Segment Maßstäbe in puncto
Insassenschutz: Die Hinterbank ist mit 3 Stück 3-Punkt-Gurten
ausgerüstet, neben Fahrer- und Beifahrer-Airbags gibt es auch
Seiten- und Kopfluftsäcke. ABS ist ebenso serienmäßig mit an
Bord.
Onroad
Der Japaner fährt sich auf der Straße fast wie ein Pkw.
Unebenheiten werden vom Fahrwerk perfekt ausgebügelt. Der
Geradeauslauf ist hervorragend, in schnellen Kurven ist der
Wagen bis in den - von uns zugebenermaßen nicht exakt
ausgeloteten - Grenzbereich gutmütig, die Seitenneigung ist kaum
zu spüren. Wird das optional erhältliche hydropneumatische
Fahrwerk mitgeordert, wird die Karosserieneigung sogar
vollelektronisch ausgeglichen, indem in Kurvenfahrten die
äußeren Stoßdämpfer härter, die Inneren weicher eingestellt
werden.
Der 160 PS starke Common-Rail-Motor stellt,
sobald warmgelaufen, immer ausreichend Power zur Verfügung und
hat mit dem doch über 2 Tonnen schweren Wagen recht leichtes
Spiel. Einem Vertreter der Golf-Fraktion, der uns an einer Ampel
mit typisch Wienerischem Charme spontan zum
Beschleunigungs-Vergleichstest einlud, durften wir die (optisch
ebenfalls gelungene) Heckpartie des Land Cruisers präsentieren.
In Zeiten der 5-Gang-Automatikgetriebe erscheint ein
4-Gang-Automat nicht mehr ganz zeitgemäß. Doch Motor und
Getriebe gehen im VX eine perfekte Symbiose ein - wir gerieten
in keine Situation, wo wir uns einen 5. Gang gewünscht hätten.
Das Wort "seidenweich" sei auch hier als Beschreibung für die
Schaltvorgänge erlaubt. Den Kickdown beim Überholvorgang
quittiert das Getriebe prompt und lässt den Motor all seine
Kraft entfalten. Da das maximale Drehmoment bereits ab 1600
Umdrehungen zur Verfügung steht, gibt es beim Beschleunigen fast
keine Verzögerung - die berühmt-berüchtigte Nachdenksekunde
gehört in diesem Wagen der Vergangenheit an.
Auch auf der Autobahn - wenn es nicht gerade eine in
Deutschland ist - fühlt man sich im Japaner wohl. Bei 130 km/h
ist entspanntes, ruhiges Cruisen angesagt. Die
Höchstgeschwindigkeit wird mit 170 km/h angegeben.
Offroad
Der Name Land Cruiser war schon immer fast ein Synonym für
Geländegängigkeit. Als der 300 dieses Jahr präsentiert wurde,
gab es schnell Stimmen, die ihm diese angesichts der "gesofteten"
Optik absprechen wollten. Doch weit gefehlt: Toyota setzt auf
eine Kombination aus Altbewährtem und Hightech und macht den
Land Cruiser zu einem echten Allesüberwinder - selbst im
schweren Gelände. Die Zutaten dazu: Permanenter
Allradantrieb, ausgezeichnete Verschränkung, 70 cm Wattiefe,
sperrbares Mitteldifferential, 100%-Differentialsperre an der
Hinterachse, kurze Untersetzung, Power in allen
Drehzahlbereichen.
Die Einfahrt ins Offroad-Gelände ist schlammig/rutschig, zum
Teil durch den frühen Wintereinbruch sogar gefroren. Mittels des
zweiten Schalthebels wird - während der Fahrt - das
Mitteldifferential gesperrt. Trotz der Straßenbereifung pflügt
der Land Cruiser durch den Schlamm, ohne dass ein Rad
durchdreht. Dafür sorgt "A-TRC", die (optionale)
Antriebsschlupfregelung.
Ab zum Testen ins Gelände. Davor gibt es noch eine ca. 30 cm
tiefe, 20 Meter lange Schlammpfütze zu überwinden, die noch dazu
an der Oberfläche angefroren ist. Also zur Sicherheit die
Untersetzung eingelegt.
Der Reifen brechen durch das Eis und mahlen sich durch den
schlammigen Untergrund. Kein Problem, die erste leichte Übung
ist absolviert. Beim ersten Überfahren eines steilen Hügels sind
wir extrem vorsichtig, gilt es doch, den Wagen kratzerlos
zurückzubringen. Der Grund für die Vorsicht sind die tief
hängenden, recht weichen seitlichen Trittbretter. Sie schränken
die Bodenfreiheit - und damit die Geländegängigkeit des Land
Cruisers insgesamt - leider deutlich ein.
Wir schaffen es knapp, den Hügel zu überwinden. Bei der
danach folgenden steilen Bergabfahrt ist der Automatikwahlhebel
auf "L" - das Getriebe somit im ersten Gang gesperrt. Problemlos
lassen sich damit steile Abfahrten schaffen.
Die kurze Übersetzung sorgt dafür, dass der Wagen selbst bei
extrem steilen Bergauffahrten immer ausreichend Kraft hat.
Dann geht es in die Verschränkungspassage - und wir sind
überrascht, wie spät der 300 ein Hinterrad lüpft. Wir wollen es
jetzt wissen und fahren noch tiefer in die Verschränkung, bis
der Wagen schön ausbalanciert auf einem Vorder- und einem
Hinterrad ruht - hier findet der Vortrieb sein Ende. Fände sein
Ende, gäbe es da unter dem Lenkrad nicht noch diesen Drehknopf
... Geräuschlos rastet die 100-prozentige Differentialsperre
ein. Ein sanfter Druck aufs Gaspedal - und weiter, weiter,
weiter geht's, bis eine innere Stimme angesichts der bösen
Schräglage zur Vernunft mahnt und wir den Retourweg antreten.
Zur Getriebeuntersetzung sei erwähnt, dass diese nur mit
gesperrtem Mitteldifferential einzulegen ist. Was offroad
logisch ist, kann für jene Land Cruiser-Fahrer unpraktisch sein,
die mit dem Wagen auch Anhänger ziehen - ein Rangieren in
Untersetzung auf festem Untergrund ist unmöglich.
Alles in allem hat uns der 300 im Gelände mächtig
beeindruckt. Grenzen sind dem Wagen nur durch das (lösbare)
Problem mit den Trittbrettern gesetzt. An dieser Stelle sei auch
angemerkt, dass es den Land Cruiser natürlich auch in einer
weniger luxuriösen Variante - als "Country" gibt. Hier entfällt
das Trittbretter-Problem, dafür gibt es serienmäßig wiederum
keine Differentialsperre an der Hinterachse (diese ist
allerdings für moderate € 300,-- orderbar).
Testfazit
Angesichts der Performance des Land Cruisers - sobald auf der
Straße als auch "offroad" - werden sich wohl alle künftigen
Testfahrzeuge an ihm zu messen haben. Und sie werden es nicht
leicht haben - der 300 hat die Latte gewaltig hoch gelegt.
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