Marokko ist ein Land der Gegensätze, sowohl landschaftlich als
auch kulturell. Dieses Land beherbergt 2 große Volksgruppen:
Berber und Araber. Die Lebensweise dieser beiden Kulturen
differenziert sehr stark. Aber auch unter den Berbern sieht man
deutliche Unterschiede, zum Teil regional abhängig, zum Teil
zwischen Stadt und Landbevölkerung. Und trotzdem hat man das
Gefühl, dass sich ein gewisses Verhalten, eine grundsätzliche
Lebenseinstellung und eine gemütliche Atmosphäre wie ein roter
Faden durch das ganze Land zieht.
Vordergründig kennen viele Marokko als Land der
Sehenswürdigkeiten. Wer hat nicht schon von den 5 Königsstädten
mit ihren Königspalästen, der Straße der Kasbas, den Souks, den
Bazaren und vom berüchtigten RIF-Gebirge gehört. Wir aber haben
uns vorgenommen, hinter die Kulissen zu schauen. Vorweggenommen,
nach einigen recht unterschiedlichen Reisen ist es uns teilweise
gelungen, wenngleich wir noch vieles dazulernen können und
wollen.Infiziert mit dem Virus Marokko haben wir uns auf
einer Kurzvisite im Jahr 1989 im Zuge einer SW-Europa Tournee
mit einem VW-Bus. Innerhalb von Marokko kann man unseren Ausflug
nicht unbedingt als Reise bezeichnen, bewegten wir uns gerade
einmal von Sebta nach Tanger und wieder zurück. Aufgefallen ist
uns aber schon damals die schöne Berglandschaft, freundliche
Menschen und eine angenehme Atmosphäre.
Gedauert hat es allerdings 8 Jahre bis wir wieder einen Fuß
bzw. Reifen in dieses Land setzten. 1996/97 durchquerten wir das
Atlasgebirge auf unserem Weg nach Mauretanien. Im Sommer 2000
war es dann endgültig soweit, 4 Wochen wollten wird das Leben
der Berber leben. Um den uns bekannten Touristengebieten
auszuweichen, kreuzten wir das Mittelmeer von Almeria nach
Mellila, durchquerten den mittleren und hohen Atlas von
Nordosten bis Südwesten, über Midelt, Imilchil, Tinherir bis
Marrakech. Den Süden und das Sandgebiet ließen wir aufgrund der
doch sehr hohen Temperaturen aus. Auf dieser Reise lernten wir
Mustapha kennen, der uns viel über das Land und seine
Bevölkerung erzählte und der mittlerweile ein guter Freund
geworden ist. Im Jahr 2002 hatten wir dann das Glück, mit ihm
das "Moussem des Fianceilles", den Hochzeitsmarkt in der Nähe
von Imilchil, zu besuchen. Die letzte Reise führte uns im Winter
2004/05 wieder in das Atlasgebirge und in das Dünengebiet des
Oued Draa.
Mit Recht können wir sagen, wir haben alle vorkommenden
Landschaftsformen in den unterschiedlichsten Witterungen kennen
gelernt. Sanfte, mit Olivenbäumen bewachsene Hügel im
RIF-Gebirge, weite, fruchtbar grüne Ebenen zwischen Casablanca
und Marrakech, die steil abfallende Atlantikküste in der
Westsahara, wo das Wasser aus Wassertanks an die Bevölkerung
verteilt wird, enge, wasserreiche Schluchten im Atlasgebirge,
wilde, schwarze Steinlandschaften mit hoch aufragenden
Berggipfeln und tief eingeschnittenen aber fruchtbaren Tälern,
schneeverwehte Hochebenen des Antiatlas, sandige Oueds und Dünen
im Verlauf des Oued Draas. Und dazwischen riesige, von
Menschentrubel überrannte Großstädte, einfache Steinhütten der
Schäfer, Ortsgemeinschaften mit ursprünglichen Märkten, Bazare,
Souks und die Berberzelte der Nomaden.
Die Berber sehen sich selbst als eine der ältesten ethnischen
Bevölkerungsgruppe der Erde und bezeichnen sich als IMAZIGHREN =
die FREIEN. Ihre Herkunft ist ungewiss, als vermutliche
Vorgänger gelten Numider, Saramanchen und Libyer. Heute sind sie
in vielen Teilen der Welt anzutreffen, vor allem bei Berg- und
Nomadenvölkern, wobei Marokko den höchsten Berberanteil hat. In
Marokko leben die Berber nur mehr zum Teil als Nomaden, oft auch
jahreszeitlich bedingt. Als Halbnomaden überwintern sie in
einfachen Steinhäusern mit ihren Schafen und Ziegen. Im Sommer
zieht dann die gesamte Familie mit den traditionellen
Berberzelten gemeinsam mit ihren Herden auf der Suche nach
Weideplätzen umher.
Andere Gruppen wiederum leben ganzjährig in den
Dorfgemeinschaften des Atlas-Gebirge und bestreiten ihren
Lebensunterhalt mit Landwirtschaft. Das Landschaftsbild wird
hier von der immer gleich bleibenden Anlage der Felder, Dörfer
und Strassen in den einzelnen Tälern geprägt. In der Talsohle
fließt der lebensnotwendige Fluss, im Sommer oft nur ein kleines
Rinnsal, das im Frühjahr zu einem reißenden Strom anschwellen
kann. Mit Hilfe eines ausgeklügelten Wasserverteilungssystem
gelangt das kostbare Nass zu den Feldern. Diese befinden sich
dort, wo es eben ist, sei es in der Talsohle oder in Terrassen
den Berghang entlang nach oben. Und natürlich überall dort, wo
man den Boden mit einem Pflug bearbeiten kann. Diese Pflüge
werden vor allem von Mulis gezogen. Traktoren findet man nur
vereinzelt und dann höchstens in den Ebenen im Norden von
Marokko. Oberhalb der Felder, an den halbwegs ebenen Stellen im
Gebirge, werden die Häuser aus Stein errichtet, meistens einige
zusammenstehende, manchmal nur einzelne oder aber kleine Dörfer.
Zu den verschiedenen Jahreszeiten bietet sich uns allerdings ein
immer wieder anderes Erscheinungsbild. Im Winter wird gepflügt,
im Sommer wird das Korn geschnitten, in großen Säcken ins Tal
gebracht und gedroschen, im Herbst ist der Anblick der
abgeernteten Felder nicht so imposant. Bei Dörfern, denen eine
größere Fläche zur Verfügung steht, gibt es einen großen Platz,
wo einmal in der Woche ein Markt stattfindet. Zu diesem kommen
dann alle Menschen aus der näheren Umgebung, zum Teil mit
Fahrzeugen, in denen Menschen und Tiere hineingepfercht sind,
oder reitend auf ihren Eseln und Mulis.
Diese Wochenmärkte zeigen uns während des Jahres immer dasselbe
Bild: Obst, Gemüse, Gewürze, Tee, Haushaltswaren, Bekleidung,
aufgebaut in leicht abbaubaren Ständen oder nur auf Unterlagen
am Boden ausgebreitet. Jetzt, Anfang Jänner, konnten wir mehr
Schafe und Ziegen sehen, da das Aide Kabir, ein Opferfest,
bevorstand. In diesem Jahr wurde das Fest, zu dem jede Familie
einen Hammel schlachtet, in der dritten Jännerwoche gefeiert.
Manche "Standler" ziehen dabei von Markt zu Markt, vor allem die
"Kringelbäcker", in Fett herausgebackenes Germteiggebäck, und
"Sandwichverkäufer". So konnten wir diese beispielsweise am
Samstag in Tilouggite und am Sonntag in Bin el Ouidane antreffen
(Mittlerer Atlas, "Cathedrale des Roches).
Die Souks, die Märkte der großen Städte, sind im Gegensatz zum
Wochenmarkt fixe Stände, die jeden Tag geöffnet sind. Hier
werden die Produkte oft in Strassen sortiert angeboten. Eine
Strasse für Bekleidung, eine für Haushaltswaren, Lebensmittel,
etc. In den Touristenzentren, wie beispielsweise auch in
Marrakech, gibt es beim Eingang zum Souk den typischen
Touristenmarkt. Erst in den kleinen, verwinkelt angelegten
Hintergassen gelangt man zum Souk der Einheimischen.
Die Betriebsamkeit in den großen Städten muss man einige Zeit in
Ruhe und unvoreingenommen auf sich wirken lassen, bevor man
eintauchen und das Treiben richtig genießen kann. Am liebsten
setzen wir uns dabei in ein "Café" auf einem belebten Platz,
trinken den herrlichen Tee Marrocaine oder Thé à la Menthe und
beobachten den Verkehr und die Leute. Anders als in unserem
"zivilisierten" Europa gibt es wenig Vorschriften, wie der
Verkehr abzulaufen hat. Hier wird zwar auch manchmal ganz normal
rechts gefahren, aber wenn es leichter geht, auch schon mal
links. Die Mopeds schlängeln sich wagemutig zwischen den
Fahrzeugen durch. Und dazwischen jede Menge Eselkarren und
Fußgänger. Und obwohl dieses Treiben für unsere Augen das totale
Chaos darstellt, es passiert fast nichts. Jeder passt auf jeden
auf, alles fließt und mit der Zeit sehen auch wir wieder eine
gewisse Ordnung in den Abläufen. Das liegt daran, dass im
Gegensatz zu den Verkehrsteilnehmern bei uns, nicht jeder recht
haben muss und stur seinen Vorrang erzwingen will.
Die Krönung ist der abendliche Verkehr in Casablanca. Mit
unserem Reisefahrzeug, dem "proMOG", genießen wir natürlich den
Vorteil, stärker und höher als die meisten anderen
Verkehrsteilnehmern zu sein und können so das Geschehen 1. Reihe
fußfrei genießen. Wenn man sich überwindet und "mitfließt",
gewöhnt man sich auch daran. Und noch etwas fällt auf - es gibt
keine grantigen Gesichter und keine ernsthaften Streitereien.
Geduld zeichnet diese Menschen aus oder ist es einfach nur ein
anderer Bezug zu der Zeit? In Tinherir haben wir uns bei einem
Tischler ein Kästchen machen lassen. Auf Grund der Abmessungen
wurde das Material berechnet und er nannte uns seinen Preis. Er
könnte das Kasterl noch heute fertig tischlern, wenn wir es aber
schön haben wollen, dann müssen wir bis morgen warten, denn dann
muss er sich mehr Zeit lassen. Überhaupt werden nur Aufträge
angenommen, wenn Geld benötigt wird. Die Berberfrauen arbeiten
oft an 2-3 Teppichen gleichzeitig, abwechselnd, wie es ihnen
Spaß macht. Aber manchmal wird halt nur 2 Stunden am Tag
gearbeitet, manchmal mehr und manchmal überhaupt nicht.
Bei einem Berber steht nicht das Streben nach Geld im
Vordergrund seines Lebens. Hat er genug für sein Leben, dann
genießt er dieses. Anders sagt man über die Araber. Sie wollen
Geld verdienen, sie machen Geschäfte, um noch mehr Geld zu
verdienen und haben dadurch natürlich auch eine andere
Arbeitsauffassung. Die Bevölkerung in den Bergen kann sich auch
nicht immer aussuchen, wann sie arbeiten möchte, ist ihre Arbeit
doch stark von Jahreszeit, Wetter und Anbauzyklen abhängig. Wenn
man aber die Leute beobachtet, hat man nie das Gefühl, dass sie
unter Zeitdruck stehen, dass sie genervt oder gehetzt sind. Im
Gegenteil, es findet sich immer Zeit für ein paar Worte, für
eine Einladung zum Tee. Sehr gut konnten wir diese Einstellung
heuer bei den zahlreichen Straßenbauarbeitern sehen, die wir auf
unserer Fahrt antrafen. Zu unserem Bedauern, manch einer wird
vielleicht anders darüber denken, werden die Strassen in Marokko
immer schöner ausgebaut, asphaltiert, verbreitert und
vergrößert.
Was man aber bei den Arbeitstruppen beobachten konnte, war
die Art und Weise, wie sie an ihre Arbeit herangegangen sind.
Bis auf 2 Personen, (sie wurden im "Radl" gewechselt) haben alle
am Bau der Strasse gearbeitet. Diese Beiden haben sich um ein
kleines Feuer und um den Teenachschub gekümmert. Baggerfahrer,
die gerade dabei waren aus einem Pfad, auf dem unser Unimog
gerade Platz hatte, eine Piste zu machen, sahen uns kommen,
schoben die großen Steine und das Erdreich auf die Seite,
machten uns Platz und grüßten freundlich. Ihre Arbeit
unterbrechen sie sofort, freuen sich jedoch, wenn wir (Europäer)
nicht hetzen und ruhig abwarten. Haben wir doch von einem
Straßenarbeiter, der wegen oder besser gesagt mit uns eine
Teepause einlegte, gelernt; "Wer in Eile ist, der ist tot!"
Das marokkanische Bild wird auch sehr stark von den Kindern
geprägt. Sie sind es vor allem, die man bei der Fahrt durch die
Dörfer sieht, die man unterwegs auf der Strasse trifft, wenn sie
mit ihren Schaf- und Ziegenherden unterwegs sind. Und mit ihrer
Neugier allem Neuen und Fremden gegenüber, ist es auch einfach,
mit ihnen in Kontakt zu kommen. In sehr abgelegenen Dörfern sind
wir aber auch auf ganz schüchterne Kindergruppen getroffen, die
uns lange Zeit aus der Ferne beobachtet haben, bevor sie sich
trauten, unserer Einladung zu folgen und näher zu kommen.
Der Umgang mit den Kindern zeigt uns aber auch sehr deutlich die
kulturellen Unterschiede der Bevölkerungsgruppen und dem
eingangs erwähnten "roten Faden". Alle Familien gehen sehr
liebevoll mit ihren Kindern um. Sie werden sehr früh zur
Selbständigkeit erzogen, in die täglichen Familienarbeiten und
Gebräuche integriert, die je nach Lebensweise sehr
unterschiedlich ausfallen.
In Marokko herrscht keine allgemeine Schulpflicht. In den
Berberfamilien werden Kinder nur dann in die Schule geschickt,
wenn die Eltern ebenfalls eine Schule besucht haben. Oder sie
gehen 3 Jahre in die Schule und werden dann herausgenommen. In
manchen Bergdörfern werden sogar die dort aufgebauten Schulen
von den Alten zerstört. Aus dieser Einstellung resultiert auch
der unwahrscheinlich hohen Anteil an Analphabeten, der mit 43%
einer der höchsten ist.
Das alles klingt recht befremdlich in unseren Ohren. Wir mit
unserer leistungsorientierten Erziehung kämen nie auf die Idee,
unseren Kindern keine Ausbildung zu ermöglichen, im Gegenteil,
wir drängen sie dazu. Was also steckt dahinter ?
Traditionsbewusstsein ? Weitergabe der fest verwurzelten Kultur
? Kinder dürfen nicht mehr lernen als der Vater, um den Respekt
vor ihm nicht zu verlieren. Auf diese Weise wird ein sehr altes
Kulturgut gepflegt und unverfälscht weitergegeben. Die Berber
hatten nie eine eigene Schrift, sie gaben ihr Wissen mündlich
weiter. Es genügte und genügt heute zum Teil noch.
Aber man kann auch die Schulbildung als Beginn des Unterganges
einer Kultur sehen. Wenn die Kinder aus ihren Familie
herausgerissen werden, von ihrem einfachen Nomadenleben in
Städte kommen, um zu lernen und zu studieren, kommen sie auch
mit einer anderen Lebensweise in Berührung. Wenn diese
Jugendlichen dann wieder in den Familienverband zurückkehren,
wollen sie dieses einfache Leben oft nicht mehr leben, verlassen
die Familie und ziehen weg. So sterben ganze "tribes" aus. Die
ursprüngliche Kultur geht verloren. Eine Wertung, ob diese
Anschauung richtig oder falsch ist, steht uns nicht zu. Diese
unterschiedlichen Ansichten über die Ausbildung der Kinder und
die Weitergabe der Kultur sind aber mit ein Grund für die
wachsenden Konflikte zwischen Arabern und Berbern, die durch die
Globalisierung noch verstärkt werden. Wir haben auch beobachtet,
dass es in vielen Orten immer mehr Koran-Schulen gibt, unter
anderem auch eine Auswirkung der Anschläge des 11. Septembers.
Kann diese Entwicklung einmal zur Gefahr für die Kultur der
Berber in diesem Land werden ?
Wertfrei möchte ich von einer Begegnung mit einem Schäfer im
Hohen Atlas erzählen. Auf dem Weg zum Lac Iseli, in der Nähe von
Imilchil, wurden wir von einem dort Ansässigen zum Nachtmahl
eingeladen und aufgefordert, bei ihm zu übernachten.
Begonnen hat es damit, dass wir die verschneite Piste zum See
gefahren sind. In der Hälfte des Weges gibt es eine kleine
Ansiedlung. Zunächst wollte uns der Mann nur zum Tee einladen,
fuhr dann aber mit uns ein Stück des Weges und wieder retour zu
seiner Hütte.
Zum Nachtmahl gab es seine Erdäpfeln und unser Fleisch. Seine
Steinhütte besteht aus 4 Räumen, zwei für seine Schafe, einen
für das Holz und einen Wohnraum. Der Wohnraum ein ca. 1,80 m
breiter, 5 m langer Raum, in der Mitte der Decke ein kleines
Loch, das jetzt im Winter mit einem durchsichtigen Plastikstück
zugedeckt war. Ein Ofen, eine Tonne für das Mehl, eine
Steinablage, ein paar Decken. Und hier lebt er im Winter mit
seinem Sohn für ca. 3-4 Monate.
Im Sommer arbeitet er in einer Unterkunft am Lac Tilsit, geht
als Führer mit den Touristen in die Berge. Dort hat er auch ein
paar Worte französisch gelernt. Auf die Frage, ob sein Sohn in
die Schule geht, bekamen wir die Antwort: "Nein, er muss ja die
Schafe hüten." Nicht die Antwort selbst sondern die
Selbstverständlichkeit dieser Aussage regt uns zum Nachdenken
an.
Die Berber waren die ursprüngliche Bevölkerung von N-Afrika.
Nach der römischen Herrschaft (Ende des 7. Jhdt.) mussten sich
die Berber den Muslimen unterwerfen. Der Islam wurde als
Religion von den Berbern übernommen. Allerdings kam es zu
Diskriminierungen durch die arabischen Muslime. Seit dem 15.
Jhdt. sind die Berber weitgehend arabisiert, leben aber
inoffiziell stark ihre Kultur aus, vor allem bei den Touaregs in
der Sahara und in dem schwer zugängigen Bergland Marokkos.
Aber auch die Europäer besetzten N-Afrika, in Marokko waren
es die Franzosen. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
begannen sich die Araber gegen das französische Protektorat
aufzulehnen. Damit ihr Aufstand ein Erfolg wurde, brauchten sie
die landeskundigen Berber. Schon lange ist Marokko frei, die
Regierungs- und Verwaltungsposten haben die Araber inne. Sie
machen die Gesetze, sie registrierten alle Einwohner Marokkos.
Alle bekamen Papiere. Berbernamen, die sie nicht kannten,
akzeptierten sie nicht und die betroffene Person bekam einen
Neuen. Nur wenige Berber kannten ihr Geburtsdatum. Dann wurde
das Alter geschätzt und der 1.1. in diesem Jahr eingetragen. So
mussten sich die Berber auf eine gewisse Art und Weise an die
Araber anpassen. Aber nur äußerlich. Für sich selbst leben sie
weiter nach dem Motto "Mach was Dir gefällt, solange Du dadurch
niemanden anderen Schaden zufügst".
Für die Berber sind die Araber die kulturlosen, das Volk ohne
eigene Wurzeln. Sie haben den Koran als Gesetz über ihre
Lebensweise erhoben. Sie passen sich an das jeweilige Land an,
in dem sie zu Hause sind. Die Berber wollen nach ihrer alten
Tradition leben, nach den Gesetzen, die ihnen die Natur vorgibt.
Mit den Berbern kann man nicht streiten, kann man keinen Krieg
führen. Machtdenken ist ihnen fremd. Aber Schulen bauen, Kinder
nach dem Koran ausbilden, Führungspositionen im Land besetzen,
die das Leben aller beeinflussen - wird diese stille
Unterwanderung einmal der Untergang der Berberkultur sein ?
Vielleicht in Marokko, vielleicht in gewissen Gebieten, ich
glaube aber nicht global gesehen. Wir sind mit dieser alten
Kultur in Berührung gekommen. Wir haben das Glück gehabt, diese
Menschen zu erleben und kennen zu lernen. Wir versuchen immer
ein Stück dieser Lebensart mit nach Hause zu nehmen, so weit es
unser Lebensraum, unsere Lebensart und unsere soziale Umgebung
es zulassen. Wenn das Bedürfnis wieder so stark geworden ist,
mit diesen Menschen mitzuleben, machen wir uns auf den Weg zu
ihnen. Diese Zeitspanne wird aber, je mehr Wahnsinn täglich in
den Nachrichten zu sehen ist, immer kürzer. |