Commander: Jeeps Größter im Test
Ein bisschen stolz dürfen wir Österreicher schon sein: Der Jeep Commander wird für den gesamten nichtamerikanischen Markt bei uns produziert: "Magna mag man eben" - so dachte man wohl bei Daimler Chrysler, als man den Produktionsauftrag nach Graz vergab. Der Commander ist - zumindest optisch - dennoch ein echter Amerikaner, seine Fahreigenschaften wiederum erstaunlich europäisch. Unser Testbericht vom "größten Jeep aller Zeiten" ...
02.11.2006
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Den ersten Eindruck vom Commander darf man als Geländewagen-Fetischist ja als ungemein positiv einstufen: Wider den Mainstream mit Ecken und Kanten präsentiert sich der Wagen - und ist damit viel mehr ein "echter Jeep" als Cherokee und Grand Cherokee, bei denen die Entwicklungsingenieure sehr wohl den Rundungsreizen der SUV-Kultur erlegen sind. Ein optisches Konzept, das uns Achtung abringt und mit der sich Jeep wirkungs- und eindrucksvoll seiner langjährigen Geschichte besinnt. Der Commander ist optisch ein Vertreter der immer seltener werdenden Spezies der "echten" Geländewagen. Und das ist gut so.

Ob das Konzept im 6. Jahr des 21. Jahrhunderts noch übermäßig erfolgreich sein wird, wird sich noch zeigen. Aber immerhin haben sich in den ersten 7 Monaten seines Daseins in Österreich bereits 120 Staatsbürger für einen Commander entschieden - nicht schlecht für einen echten Geländewagen.

Aber: Ist er das wirklich - ein echter Geländewagen? Die klare Antwort darauf ist ganz eindeutig. Sie lautet "jein". "Quadra-Drive II", das Allradsystem, das elektronisch bis zu 3 Differenziale sperren kann, eine Verschränkung, die sich durchaus sehen lassen kann, eine vernünftige Untersetzung ... das wären die Ingredienzien, die eindeutig dafür sprechen. Die Bodenfreiheit von gerade einmal 18 Zentimetern - noch dazu bei einem Radstand von 2,78 Metern - und die vielleicht etwas zu schmucke Karosserie sprechen aber eindeutig dagegen. Aber hallo: Wer traut sich wirklich, einen Commander - vielleicht noch dazu in der von uns getesteten "Limited"-Version, die komfortmäßig wirklich so ziemlich alle Stückerln spielt - ins böse Gelände zu schmeißen? Wir gestehen: Wir haben es nicht gemacht. Schlechtwege befahren, ja. Ein bisschen ausloten, was geht, ja. Aber sonst herrschte die Devise: Vernunft vor Unvernunft, Vorsicht vor Leichtsinn. Schließlich kostet der Limited knappe € 60.000,--. Den Generalvertreter wollten wir ja auch nicht frustrieren und ihm ein angekratztes Fahrzeug zurückbringen. Offroad-Fazit (?) in Kurzform: Ja, der Commander könnte schon was. Nur kaum jemand wird sich trauen (oder ernsthaft Spaß daran haben), diese Aussage zu verifizieren ...

Kommen wir also zu jenen Facts, mit denen künftige Commander-Fahrer wohl mehr anfangen können: Zum Beispiel dem Motor: Der kann sich wirklich sehen lassen. Und hören. Und vor allem erfahren. Glauben Sie es uns einfach: Bei einem solchen Schlachtschiff von Geländewagen fängt der Spaß erst bei 6 Zylindern an. Die hat der Diesel - und darf noch dazu auf "Common Rail Art" einspritzen. Die 218 Pferdchen, die dabei wiehern, erfreuen des Fahrers Herz mit überraschender Agilität. Sie haben kaum jemals Probleme, den Commander mehr als flott voranzutreiben. Da entscheiden sich - ganz typisch für Österreich - nur die wenigsten für den zweiten verfügbaren Motor, den Hemi V8 mit 326 PS. Der hat noch dazu weniger Drehmoment aufzuweisen als der Diesel (500 gegenüber 510 Nm): Ganze 8 Hemis wurden hierzulande bisher an die Frau / den Mann gebracht.

Vom Motor zum Getriebe: Positiv unamerikanisch fällt das serienmäßige 5-Gang-Automatikgetriebe auf, mit dem sich elegantes, sanftes Gleiten ebenso machen lässt wie böse, röhrende Ampelsprints. Jedenfalls fühlt man sich mit dem Commander auf Autobahnen und Landstraßen gleichermaßen wohl. Fahrten in der Stadt bezahlt man mit nicht unbedeutenden 13,5 Litern Diesel, die da pro 100 Staukilometern laut Werksangaben verbrannt werden - gefühlsmäßig dürfte dieser Wert in der Praxis sogar noch etwas höher liegen. 10,8 Liter im kombinierten Betrieb hören sich da hingegen schon etwas vernünftiger an.

Überraschend europäisch bewegt sich der größte Jeep aller Zeiten auf der Straße: Das Fahrwerk ist manierlich und recht straff, Seitenneigungen in schnellen Kurven halten sich in Grenzen, das ermöglicht eine flotte Fahrt auf allen Wegen. Mit der schön direkten Lenkung zirkelt man den Wagen präzise über die kurvige Landstraße. Einzig bei kurzen, tiefen Querrillen poltert es aus den Radkästen - recht geräuschvoll meldet das Fahrwerk hier dem Fahrer den aktuellen Straßenzustand.

Die Passagiere sitzen dabei dennoch sehr entspannt: Der Innenraum des Commanders entspricht - wie gesagt speziell in der Topvariante "Limited" - so ziemlich allen Luxusansprüchen der gehobenen Klientel: Für die knapp 60.000 Euro dürfen die Insassen auf noblem, vorne auch elektrisch verstellbarem Ledergestühl Platz nehmen. Die Klimaanlage erlaubt eine individuelle Temperaturregelung bis in die 3. Sitzreihe. Letztere ist übrigens ebenfalls serienmäßig mit an Bord.

"Theaterbestuhlung" nennt man bei Jeep, dass die Sitzreihen nach hinten leicht ansteigen. Gut für die Mitfahrenden, nicht so gut für den Fahrer: Rundum wäre die Sicht aus dem Commander recht gut - den Innenrückspiegel kann er bei aufgestellter 3. Sitzreihe aber getrost vergessen: Beim Blick hinein ist nur das Leder der 3. Sitzreihe zu bewundern. Selbst die Kopfstütze des Mittelsitzes der 2. Reihe schränkt die Sicht nach hinten schon deutlich ein. Im Normalbetrieb fährt man also mit umgelegter 3. Reihe - dann klappt's auch (halbwegs) mit dem Blick nach hinten. Laderaum hat man dann auch ausreichend zur Verfügung.

Die Käufer für den Commander sucht Jeep wohl nicht im Kreis der Waldarbeiter, Jäger und Förster: Für's "dirty business" ist der Wagen ganz einfach zu schade - und zu schön. City-Slickers mit Allradambitionen werden sich auch anders entscheiden. Sein Zielpublikum findet der Wagen bei Land-Yuppies, Gutsbesitzern und generell Leuten mit einem Hang zu schönen, allradbetriebenen Statussymbolen. Dieser Klientel bietet er exzellente Straßenmanieren, vernünftige Offroad-Glaubwürdigkeit und den fast schon obligatorischen Luxus. Den Kultfaktor der Marke Jeep gibt's im Commander in hoher Dosis gratis dazu - egal, ob man ihn als Österreicher oder als Amerikaner einstuft.
 

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Text und Fotos: gelaendewagen.at
 

Jeep Commander "Limited":
Daten und Fakten


Karosserie
Länge/Breite/Höhe: 4.787/1.899/1.826 mm
Leergewicht: 2.315 kg
Zul. Gesamtgewicht: 2.900 kg

Motor
3,0 Liter Common Rail Diesel V6

Leistung: 160 kW / 218 PS
Hubraum: 2.987 cccm
max. Drehmoment:  510 Nm ab 1.600 U/min

Getriebe
5-Stufen-Automatik, Untersetzungsgetriebe

Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit: 191 km/h
 
Geländeleistungen
Allradantrieb Quadra Drive II, permanenter Allradantrieb, Untersetzungsgetriebe 2,72:1, 3 elektronische Differenzialsperren
Böschungswinkel vorne/hinten: 34°/27°
Rampenwinkel: 20°

Anhängelasten:
750 kg ungebremst / 3.500 kg gebremst

Verbrauch kombiniert: 10,8 l Diesel

Preis: € 59.990,--
(inkl. MwSt. und NoVA)
 
 





 
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