Ein bisschen stolz dürfen wir Österreicher schon sein: Der Jeep
Commander wird für den gesamten nichtamerikanischen Markt bei
uns produziert: "Magna mag man eben" - so dachte man wohl bei
Daimler Chrysler, als man den Produktionsauftrag nach Graz
vergab. Der Commander ist - zumindest optisch - dennoch ein
echter Amerikaner, seine Fahreigenschaften wiederum erstaunlich
europäisch. Unser Testbericht vom "größten Jeep aller Zeiten"
...
Den ersten Eindruck vom Commander darf man als
Geländewagen-Fetischist ja als ungemein positiv einstufen:
Wider den Mainstream mit Ecken und Kanten präsentiert sich
der Wagen - und ist damit viel mehr ein "echter Jeep" als
Cherokee und Grand Cherokee, bei denen die
Entwicklungsingenieure sehr wohl den Rundungsreizen der
SUV-Kultur erlegen sind. Ein optisches Konzept, das uns Achtung
abringt und mit der sich Jeep wirkungs- und eindrucksvoll seiner
langjährigen Geschichte besinnt. Der Commander ist optisch ein
Vertreter der immer seltener werdenden Spezies der "echten"
Geländewagen. Und das ist gut so.
Ob das Konzept im 6. Jahr des 21. Jahrhunderts noch übermäßig
erfolgreich sein wird, wird sich noch zeigen. Aber immerhin
haben sich in den ersten 7 Monaten seines Daseins in Österreich
bereits 120 Staatsbürger für einen Commander
entschieden - nicht schlecht für einen echten Geländewagen.
Aber: Ist er das wirklich - ein echter Geländewagen? Die klare
Antwort darauf ist ganz eindeutig. Sie lautet "jein". "Quadra-Drive
II", das Allradsystem, das elektronisch bis zu 3
Differenziale sperren kann, eine Verschränkung, die
sich durchaus sehen lassen kann, eine vernünftige
Untersetzung ... das wären die Ingredienzien, die eindeutig
dafür sprechen. Die Bodenfreiheit von gerade einmal 18
Zentimetern - noch dazu bei einem Radstand von 2,78
Metern - und die vielleicht etwas zu schmucke Karosserie
sprechen aber eindeutig dagegen. Aber hallo: Wer traut sich
wirklich, einen Commander - vielleicht noch dazu in der von uns
getesteten "Limited"-Version, die komfortmäßig wirklich
so ziemlich alle Stückerln spielt - ins böse Gelände zu
schmeißen? Wir gestehen: Wir haben es nicht gemacht.
Schlechtwege befahren, ja. Ein bisschen ausloten, was geht, ja.
Aber sonst herrschte die Devise: Vernunft vor Unvernunft,
Vorsicht vor Leichtsinn. Schließlich kostet der Limited knappe
€ 60.000,--. Den Generalvertreter wollten wir ja auch
nicht frustrieren und ihm ein angekratztes Fahrzeug
zurückbringen. Offroad-Fazit (?) in Kurzform: Ja, der Commander
könnte schon was. Nur kaum jemand wird sich trauen (oder
ernsthaft Spaß daran haben), diese Aussage zu verifizieren ...
Kommen wir also zu jenen Facts, mit denen künftige
Commander-Fahrer wohl mehr anfangen können: Zum Beispiel dem
Motor: Der kann sich wirklich sehen lassen. Und hören. Und
vor allem erfahren. Glauben Sie es uns einfach: Bei einem
solchen Schlachtschiff von Geländewagen fängt der Spaß erst bei
6 Zylindern an. Die hat der Diesel - und darf noch dazu
auf "Common Rail Art" einspritzen. Die 218 Pferdchen, die
dabei wiehern, erfreuen des Fahrers Herz mit überraschender
Agilität. Sie haben kaum jemals Probleme, den Commander mehr als
flott voranzutreiben. Da entscheiden sich - ganz typisch für
Österreich - nur die wenigsten für den zweiten verfügbaren
Motor, den Hemi V8 mit 326 PS. Der hat noch dazu weniger
Drehmoment aufzuweisen als der Diesel (500 gegenüber 510 Nm):
Ganze 8 Hemis wurden hierzulande bisher an die Frau / den Mann
gebracht.
Vom Motor zum Getriebe: Positiv unamerikanisch fällt das
serienmäßige 5-Gang-Automatikgetriebe auf, mit dem sich
elegantes, sanftes Gleiten ebenso machen lässt wie böse,
röhrende Ampelsprints. Jedenfalls fühlt man sich mit dem
Commander auf Autobahnen und Landstraßen gleichermaßen wohl.
Fahrten in der Stadt bezahlt man mit nicht unbedeutenden 13,5
Litern Diesel, die da pro 100 Staukilometern laut
Werksangaben verbrannt werden - gefühlsmäßig dürfte dieser Wert
in der Praxis sogar noch etwas höher liegen. 10,8 Liter im
kombinierten Betrieb hören sich da hingegen schon etwas
vernünftiger an.
Überraschend europäisch bewegt sich der größte Jeep aller Zeiten
auf der Straße: Das Fahrwerk ist manierlich und recht
straff, Seitenneigungen in schnellen Kurven halten sich in
Grenzen, das ermöglicht eine flotte Fahrt auf allen Wegen. Mit
der schön direkten Lenkung zirkelt man den Wagen präzise über
die kurvige Landstraße. Einzig bei kurzen, tiefen Querrillen
poltert es aus den Radkästen - recht geräuschvoll meldet das
Fahrwerk hier dem Fahrer den aktuellen Straßenzustand.
Die Passagiere sitzen dabei dennoch sehr entspannt: Der
Innenraum des Commanders entspricht - wie gesagt speziell in
der Topvariante "Limited" - so ziemlich allen Luxusansprüchen
der gehobenen Klientel: Für die knapp 60.000 Euro dürfen die
Insassen auf noblem, vorne auch elektrisch verstellbarem
Ledergestühl Platz nehmen. Die Klimaanlage erlaubt
eine individuelle Temperaturregelung bis in die 3. Sitzreihe.
Letztere ist übrigens ebenfalls serienmäßig mit an Bord.
"Theaterbestuhlung"
nennt man bei Jeep, dass die Sitzreihen nach hinten
leicht ansteigen. Gut für die Mitfahrenden, nicht so gut für
den Fahrer: Rundum wäre die Sicht aus dem Commander recht gut -
den Innenrückspiegel kann er bei aufgestellter 3. Sitzreihe
aber getrost vergessen: Beim Blick hinein ist nur das Leder der
3. Sitzreihe zu bewundern. Selbst die Kopfstütze des
Mittelsitzes der 2. Reihe schränkt die Sicht nach hinten schon
deutlich ein. Im Normalbetrieb fährt man also mit umgelegter 3.
Reihe - dann klappt's auch (halbwegs) mit dem Blick nach hinten.
Laderaum hat man dann auch ausreichend zur Verfügung.
Die Käufer für den Commander sucht Jeep wohl nicht im Kreis der
Waldarbeiter, Jäger und Förster: Für's "dirty business" ist der
Wagen ganz einfach zu schade - und zu schön. City-Slickers mit
Allradambitionen werden sich auch anders entscheiden. Sein
Zielpublikum findet der Wagen bei Land-Yuppies, Gutsbesitzern
und generell Leuten mit einem Hang zu schönen, allradbetriebenen
Statussymbolen. Dieser Klientel bietet er exzellente
Straßenmanieren, vernünftige Offroad-Glaubwürdigkeit und den
fast schon obligatorischen Luxus. Den Kultfaktor der Marke Jeep
gibt's im Commander in hoher Dosis gratis dazu - egal, ob man
ihn als Österreicher oder als Amerikaner einstuft.