King G: Der Mercedes G 320 CDI im Test
Kultoffroader und Luxusgefährt: Zwischen Traum und Wirklichkeit ...
05.09.2007
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Der Mercedes G ist ein imposantes Fahrzeug: Mehr als 2 Meter Dienstgipfelhöhe, eckig, kantig, wuchtig. Kurze Überhänge, richtig Bodenfreiheit. Der 6-Zylinder brabbelt sonor unter der Motorhaube hervor. King G lässt schon beim ersten Sicht- und Hörkontakt den Gelände-Macho raushängen. Unter der rauen Schale verbirgt sich aber ein weicher Kern: Der Innenraum ist vollgepflastert mit Luxusfeatures vom Teuersten. Ein Widerspruch, den es aufzuklären gilt.

Zuallererst aber: Wir, die "Community" der Geländewagenfahrer, sollten uns glücklich schätzen, dass es Fahrzeuge wie den G noch gibt: Echte, ehrliche Offroader, die man inzwischen locker an den Fingern einer Hand abzählen kann: G, Defender, Wrangler. Und dann? Nach der ersten Freude über die Noch-Immer-Existenz solcher Urgesteine muss man sich auch die Frage stellen, wie weit es die Hersteller mit dem Luxus, dem Komfort in solchen Fahrzeugen treiben sollten. Muss ein Auto vom Schlage des G technisch derart hochgerüstet werden? Wenn ja - warum?

Als der G im Jahre 1979 - damals noch unter dem Namen Puch - auszog, um die Welt abseits befestigter Straßen zu erobern, war er noch ein richtig hartes, erdiges Auto. Seit auf ihm der Stern strahlt, hat er sich sukzessive auch zum Luxusgefährt entwickelt. Mit dem G 320 CDI haben wir die aktuellste Evolutionsstufe des Jahres 2007 getestet.

Mehr als erfreulich ist, dass der G durch all die Jahre ein unglaublich geländegängiges Fahrzeug geblieben ist: Das gewaltige Allradkonzept mit 4ETS, der kurzen Untersetzung und serienmäßig 3 Differenzialsperren sorgt dafür, dass er fast von allein überall dort fährt, wo der Bauer schon mit seinem Traktor kämpft.

Weniger erfreulich: Das Vergnügen, einen G sein Eigen zu nennen, bezahlt man teuer. Richtig teuer: Mindestens 83.000 Euro muss man dafür auf den Tisch legen können. Entscheidet man sich auch noch für ein paar Extras - eine Standheizung zum
Beispiel, oder ein Navigationssystem - kann der Kaufpreis schnell einmal sechsstellig werden. Das schmerzt die Allradenthusiasten - die meisten werden sich ein solches Auto nie leisten können. Das ist schade. Eine Basisversion, die auf allen Luxus verzichtet und zu einem erschwinglichen Preis erhältlich ist, wurde schon von vielen Seiten gefordert - und könnte sich auch wirklich vernünftig verkaufen.

Der Mercedes G und Luxus: Das ist ein interessanter Stilmix. All die Technik, die Elektronik, die dem Fahrer das Leben im G möglichst einfach und angenehm machen sollen, wirkt ein wenig "aufgepfropft": Der unverändert eckige, kantige und recht enge Innenraum kann all die Schalter und Hebel für die Sitzverstellung, Fensterheber, den riesigen Bildschirm für Navi und Rückfahrkamera etc. nur mit Mühe aufnehmen. In anderen Fahrzeugen sind diese Komponenten sauber in ein Gesamtkonzept integriert - im G fällt schnell auf, dass sie zur seit 28 Jahren praktisch unveränderten Karosserie dazu installiert wurden. Neben der ungewöhnlichen Optik ergeben sich daraus auch ergonomische Probleme: So schön der Navimonitor auch ist - er ist zu tief installiert und kann während der Fahrt kaum abgelesen werden.

Richtig bequem sitzen im G übrigens nur Fahrer und Beifahrer - elektrisch verstellbar ist an den Sitzen alles - sogar die Höhe der Kopfstützen. Die Hinterbänkler kämpfen hingegen ein wenig mit dem knapp bemessenen Raum und den überraschend kurven Sitzflächen.

Der Stilmix setzt sich dort fort, wo Mercedes den G laufend um neue Luxus-Features erweitert: Das neu erhältliche Leder in dunkelbraun namens "Cognac" ist wunderschön - nur passt es nicht zu den teils schwarzen Türverkleidungen, dem grau-beigen Himmel, dem marmorgrünen Applikationen rund um die Schaltkulisse, der bläulichen Laderaummatte und den Alu-Einstiegsleisten. Weniger wäre hier vielleicht mehr.

Aber ... fahren wir ihn, den König der Geländewagen: Motor und Getriebe sind vom Feinsten. Der 3 Liter große Common Rail mit 6 Brennräumen, übrigens der einzige Diesel für den G, bietet in allen Fahrsituationen onroad ausreichend Power. Leistungsentfaltung und Drehmomentverlauf sind perfekt, die 7-Gang-Automatik ist toll abgestimmt. Das Fahrwerk verhält sich erstaunlich manierlich und beweist sich als sattelfest und autobahntauglich. Mit ein wenig Vorsicht ist der G auf kurvigen Landstraßen zu genießen: Hier flott zu fahren, erfordert ein kundiges Händchen. Der hohe Aufbau sorgt für kräftige Seitenneigungen in Kurven, der G wirft sein ganzes Gewicht überraschend abrupt auf das kurvenäußere Vorderrad. Zeitiges Quietschen und generell kräftiges Untersteuern sind die Folge. Bei der Kraft dieses Motors darf niemand mehr maulen, dass heutzutage derart viele diverse elektronische Fahrassistenzsysteme für Sicherheit sorgen möchten. Denn - ohne diese Systeme könnte der moderne G-Fahrer onroad rasch an seine Grenzen stoßen.

Wer außer einem Großgrundbesitzer oder finanziell potentem Jagdpächter bewegt ein 100.000 Euro teures Fahrzeug freiwillig im Gelände? Die Antwort ist nahe liegend: Wir natürlich. Hier haben wir auch erfahren, was die Legende G ausmacht. Unglaublich, welche Aufstiege sich mit dem G praktisch im Standgas machen lassen. Welche Reserven man dem Wagen entlockt, wenn man die 3 Differenzialsperren zur Mitarbeit animiert. Wie gut noch immer die Achsverschränkung ist, die den Sperreneinsatz erst in Situationen nötig macht, in die man mit anderen Allradlern gar nie kommt. Die Übersichtlichkeit des Wagens durch die eckige Bauform macht die Geländefahrt noch einfacher. Schwächen? Kaum welche. Der überraschend große Wendekreis vielleicht, der nur mit vorausschauender Fahrweise - meistens - kompensiert werden kann. Und natürlich die straßenorientierten Reifen. Doch die Entscheidung, grobstolligere Gummis auf den G 320 CDI aufzuziehen, sollte gut überlegt werden - siehe Thema Kurvenverhalten onroad.

Schließlich bewegt auch ein G-Fahrer - seien wir ehrlich - seinen Wagen primär onroad. Und kann damit komfortabel, bequem und vom Luxus umweht unterwegs sein. Offroad zeigt er sowieso allen, wo's lang geht. Und schleppt im "worst case" auch noch den Traktor den Steilhang hinauf.

Der G ist also ein Fahrzeug, das den Hard-Usern unter den betuchten Allradfahrern gerade recht kommt. Jägern, Förstern, Großgrundbesitzern, die einen Allesüberwinder für die Extremsituationen im Forst oder im Revier benötigen. Und dabei nicht auf den Komfort einer zweizonigen Klimaanlage verzichten wollen. Oder einer Rückfahrkamera, damit man beim Verkehrt-Hineinschieben in die Garage des Landhauses das Tor nicht beleidigt. Die weniger Betuchten, all die Jagdhelfer und Revieraufseher - die bleiben beim alten Pajero. Oder sogar beim uralten, verbeulten Hilux. Aber glauben Sie uns: Am Abend, beim Stammtisch, erzählen Sie sich die Wunderdinge, die der G des Jagdpächters untertags wieder vollbracht hat.

Den Widerspruch zwischen Mega-Offroader und Luxusgefährt haben wir damit zugegebenermaßen noch immer nicht aufgeklärt. Vielleicht ist es ja gar keiner? Aber all die erfahrenen G-Fahrer können Ihnen da sicher weiterhelfen: Geländegängig muss er ganz einfach sein, der schon zu "Lebzeiten" legendäre G. Die tolle Ausstattung nimmt man wohlwollend zur Kenntnis, der Kaufpreis spielt für sie eine eher untergeordnete Rolle. Schließlich besteht der Reichtum "nicht im Besitz von Schätzen, sondern in der Anwendung, die man von ihnen zu machen versteht" - hat schon ein berühmter, auch nicht ganz armer Mann gewusst. Lange, bevor der G erfunden wurde.

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Fotos: gelaendewagen.at
 

Mercedes G 320 CDI: Daten und Fakten


Länge/Breite/Höhe:
4.661/1.931/2.007 mm

Motor: V6 Common Rail Diesel, 2.987 cm3, 224 PS, 540Nm ab 1.600 U/min

Höchstgeschwindigkeit:
180 km/h

Getriebe: siebenstufiges Automatikgetriebe "7G-TRONIC"

Verbrauch: 11,5 l kombiniert

Tankinhalt: 96 l

Geländeleistungen: Permanenter Allradantrieb, elektronisches Traktionssystem 4ETS, 3 Differenzialsperren (Mitteldifferenzial, Hinterachse, Vorderachse), Bodenfreiheit 205 mm, Untersetzungsgetriebe 2,16:1

Anhängelasten:
3.500 kg/ 750 kg (gebremst/ungebremst)

Serienausstattung (Auszug):

INNEN: Fahrer- und Beifahrerairbags, Window-Bags (nur bei Station), Einstiegsleisten aus Edelstahl, Klimaautomatik, Leder-Multifunktionslenkrad, Lenksäule eleektrisch verstellbar, Leseleuchten im Fond, 3 3-Punkt.Gurte im Fond, ISOFIX, Tempomat, Stoffsitze elektrisch verstellbar, mehrere 12V-Steckdoesen, Zentralverriegelung, Holtzierteile

AUSSEN: Offroadfeatures wie oben, Partikelfilter, ABS, Bremsassistent, ESP, Außenspiegel mit integrierten Blinkern, Bi-Xenon-Scheinwerfer mit Abbiegelicht in den Nebelscheinwerfern, beheizbare Scheiben vone und hinten,
 

Preis: Station Wagon lang Basis € 83.995,20

Preis des Testwagens:
€ 101.242,08
(zusätzlich u.a. mit Lederausstattung "Cognac", Metalliclackierung, Stoßfängern in Wagenfarbe, DVD-Navigation, Rückfahrkamera, Anhängerkupplung und Standheizung)
 

 

Geschmackssache: Des Gs Interieur

 

Offroaders Paradies: 3 Differenzialsperren

 

gelaendewagen.at Test Nr. 44





 
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