Reisebericht Tunesien: Mit dem Hundeschlitten durch die Wüste
Der Bericht von einer ungewöhnlichen Wanderung ...
08.02.2007
Eine alte „Pulka“, ein Vollschalen-Hundeschlitten, 3 Samojeden, sibirische Schlittenhunde, und 4 „Hirten“, Klaudia, Ju, Boris und Andreas, machen sich auf, um die Sahara zu Fuss zu leben.

„Wer in die Wüste geht, wird nicht der Selbe bleiben, der er einmal war!“ (arabisches Sprichwort)

Wir nehmen uns drei Tage Zeit, nicht weil die Strecke so weit, oder der Weg so schwer ist, vielmehr um den Zauber der Sahara zu spüren, um einzutauchen in das Leben ohne Zeit und Grenzen.
Das Ziel ist ein altes Brunnenhäuschen mit ausgetrocknetem Brunnen namens „Bir Gif el Boum“ zwischen der Oase „Ksar Ghillane“ und dem Cafe „Porte du Sahara“ südlich von Douz, inmitten einer sehr schönen, zerklüfteten Dünenlandschaft.

Die Strecke über die ersten Dünenriegel am Rande ist nicht besonders anspruchsvoll für die beiden 5 jährigen Hundegeschwister „Myra“ und „Nanuk“, jedoch sicherlich eine grosse Herausforderung für deren Mutter „Dunja“ mit ihren bereits 13 Jahren. Daher war sie auch von der Arbeit befreit und musste beim Schlittenziehen nicht mithelfen.

“Lange Wanderungen zeigen mir die Vergangenheit und die Zukunft, dadurch verstehe ich, wo ich heute stehe !“

Da der Brunnen kein Wasser führt, müssen wir Wasser für drei Tage, für die gesamte Mannschaft inklusive Hunde mitnehmen. Temperaturen von ca. 20°-25° tagsüber sind für die schwere Arbeit, die die Tiere leisten, relativ hoch, so rechnen wir mit ca. 40l Wasser.

Die restliche Ausrüstung besteht lediglich aus Schlafsäcken, unserer „Chellaba“ oder dem „Burnus“, sowie einige Kilogramm Mehl, etwas Gewürze, Eier und Bohnen und (wer Klaudia kennt) jeder Menge Tee. Trotz der recht einfach gehalten Ausrüstung ist der Schlitten bei der Abreise vom Cafe ziemlich schwer. Abwechselnd spannen wir uns daher auch immer wieder zu den Hunden vor den Schlitten.

Nach einer kurzen Routenbesprechung werden die Kompasse und eine Karte verstaut und nach dem obligatorischen Tee bei Achmed startet die „ungewöhnliche Karawane“ vor den Augen der nicht schlecht staunenden „Garde National de Securitè“, die neben dem Cafe stationiert ist.

Nicht nur die Hunde marschieren hoch motiviert los. Da es vor kurzer Zeit viel geregnet hat, ist der Sand relativ hart, wodurch das Gehen leichter ist. Vor allem aber zeigt sich die Wüste von ihrer schönsten Seite, alles blüht, selbst die meist trockenen Tamariskensträucher beginnen an den verdorrten Enden ihrer Äste grün auszutreiben.

Wie schon am Vortag getestet, lässt sich der Schlitten auch über kleine Sandverwehungen und den immer wieder zu überquerenden Schotterfeldern gut ziehen. Unser Weg führt uns zunächst über leicht verwehte Sandfelder mit starkem Bewuchs.

Ohne Auto dauert es zwar länger bis man am Horizont angekommen ist, dafür hat man die Gelegenheit die Vielfalt des Lebensraumes Sahara zu genießen.
 
“Langsam zu reisen hat den Vorteil, dass die Seele Schritt halten kann!“

Wir entdecken das „Leben der Sahara“; Spuren von Spinnen und Käfer, die Bauten der Wüstenspringmäuse und „Mulla Mullas“ (Weisspürzelsteinschmätzer) begleiten uns. Überall wächst Gras oder blühen kleine Pflanzen. Die überwältigende Landschaft lässt uns rasch die Zeit vergessen und wir sind bereits einige Kilometer im unwegsamen Gelände unterwegs, als die Hunde ihre erste Trinkpause einfordern.

Alle 2 Stunden bekommen die Tiere Wasser, um ihren Kreislauf stabil zu halten. Es ist bereits 15:00 als wir in den ersten größeren Dünenriegel einsteigen. Wir beginnen Feuerholz zu sammeln, da wir gegen 16:00 einen Schlafplatz finden sollten. In den Dünen gibt es keine Vegetation mehr und um 17:00 wird es finster.

Wir steigen jetzt in die ersten Dünen ein, wo es gleich einmal ziemlich steil bergauf und bergab geht. Um über den Riegel zu kommen, sind ca. 50 Höhenmeter mit zahllosen Dünenkesseln aus weichem Sand zu überwinden.

Jetzt wird sich zeigen, ob das „Gespann“ mit Schlitten und zwei „arbeitenden“ Hunden funktioniert. Und wie geht es der „alten Dame“ Dunja?

Erstaunlich schnell kommen wir voran und Dunja hat sich nach einer anfänglichen Eingewöhnungsphase nun erfangen und marschiert voller Freude wie ein Uhrwerk. So kommen wir für uns ziemlich überraschend noch am ersten Tag über das Dünengebiet in das nächste Qued. An den südlichen Ausläufern der Dünen schlagen wir unser Nachtlager auf.

Das gesammelte Holz (nur wirklich totes Holz wird verwendet) nährt das Feuer für Tee, während der Brotteig ruht. In der Dämmerung backt das Brot in der Glut und wir geniessen die Stille der Wüste, sitzend im Sand.

“Jeder Satz dauert seine Zeit, jede Bewegung folgt ganz notwendig einer anderen. Alles hat sein Maß und seinen Platz in der Folge der Geschehnisse. Man spürt nichts von Arbeit hier und Ruhe da – es ist Alles in Allem.

"Das Zelt aufzubauen und Brot zu backen, den Tee zu kochen, sind Regelmäßigkeiten wie Atemzüge oder Herzschläge.“ (Manfred Schmidbauer)

Die Hunde sind bei gutem Appetit aber zu müde zum Spielen. Unser Nachtmahl auf „nomadisch“ mit im Sand gebackenem Brot und Harissa (arabisches scharfes Gewürz), sowie einer Dose Gulasch und noch mehr Tee unter dem Sternenhimmel. Da es in der Wüste nach Sonnenuntergang rasch kalt wird und auf Grund der hohen Feuchtigkeit des Sandes sofort alles mit Tau überzogen ist, legen auch wir uns bald aufs Ohr.

Unser Lebensrhythmus hat sich bereits dem Atem der Sahara angepasst. So klettern wir mit den ersten Sonnenstrahlen aus den Schlafsäcken, die mit Reif und Sand bedeckt sind. Doch die Sonne trocknet unsere Ausrüstung schnell und nach morgendlichen Tee am Feuer sind wir bald wieder zur Abreise fertig.

Alle ?

Nein, da gibt es noch einen kurzen Streik von „Nanuk“! – „Viel zu früh, um aufzustehen!“ Aber nach kurzen Verhandlungen kann es um 8:00 losgehen. In der Früh ist es noch kühl und wir kommen gut voran. Bereits um 11:00 erreichen wir unser Ziel, den „Bir Gif el Boum“.

“Die Wüste ist schön, weil sie irgendwo einen Brunnen birgt !“

Das alte Brunnenhäuschen ist sehr gut erhalten. Im Inneren befindet sich ein kleiner Ofen. Von Aziz unserem Freund aus Douz wissen wir, dass die Brunnenröhre nur ca. 3m tiefer gegraben werden müsste, um den Brunnen wieder nutzen zu können.

Nach einer ausgiebigen Rast im Schatten des Brunnen mit einer Jause und Tee brechen wir gegen 13:00 zum Heimweg auf. Der Schlitten ist bereits merkbar leichter und wir brauchen nicht mehr soviel mithelfen.

Jetzt in der Mittagshitze ist der Sand viel weicher und das Gehen wird mühsam. Mitten im Dünengebiet, gerade als wir die höchsten Riegel überqueren wollen, treffen wir auf eine Karawane aus 10 Dromedaren und 3 Führern, die gerade auf dem Weg nach Ksar Ghillane ist. Die Kamelführer staunen nicht schlecht als sie unser Gespann sehen.

Gegen 16:00 gelangen wir wieder in ein etwas stärker bewachsenes Qued, wo wir unser Lager aufschlagen. Zuerst werden die Hunde abgespannt und mit Wasser versorgt. Danach macht Boris Feuer, Ju lüftet seine Füsse und ich mache den Brotteig für unser Nachtmahl, während Klaudia den Tee vorbereitet (was sonst!).

Nach einem weiteren eindrucksvollen Sonnenuntergang mit einer herrlichen Dünenlandschaft im Hintergrund bereiten wir nicht das Nachtlager, sondern machen uns fertig für einen Nachtmarsch. Es ist zwar schon fast Vollmond, jedoch immer noch stark bewölkt. Die Orientierung ist daher relativ schwer. Für die nächsten 3 Stunden folgen wir mit Stirnlampen bewaffnet eher dem Instinkt der Tiere als irgendwelchen Spuren. Gegen Mitternacht schliesslich legen wir uns in die Schlafsäcke.

Am nächsten Morgen ist es bewölkt und frisch. Wir sitzen bereits beim Feuer mit unserem Tee, aber „Myra“ schläft noch tief und fest.

Gegen 8:30 machen wir uns auf zur letzten Etappe. Seit der vorigen Nacht ziehen die Hunde den Schlitten ganz alleine. Wir treffen noch auf Ziegenhirten, die uns eine Weile ungläubig begleiten.

Etwas abgekämpft erreichen wir am frühen Nachmittag wieder das Cafe „Porte du Sahara“, den Ausgangspunkt unserer Tour. „Dunja“ unsere Hündin hat diese Wanderung hervorragend überstanden und durfte, wie wir, wieder „eine weitere goldene Stunde der Wüste miterleben“. Und wieder sind wir der Sahara ein Stückchen näher gekommen.

“Niemand kann in der Wüste leben und unverändert daraus hervorgehen. Er wird für immer, mehr oder weniger deutlich, das Zeichen des Nomaden tragen; und er wird immer das Heimweh nach diesem Leben spüren, ob leise oder brennend.“ (Wilfried Thesinger)


Teil 1: „Lac Rochette“ in den Ausläufern des Erg Oriental

 

 

Der Reisebericht in 2 Teilen
Teil 1: „Lac Rochette“ in den Ausläufern des Erg Oriental
Teil 2: Mit dem Hundeschlitten durch die Wüste

Text und Fotos: Andreas Piskorz, proVENTURE
www.proventure.at

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 





 
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