Unkonventioneller Brite
Land Rover Defender 110 DCPU
Der seltene Doppelkabiner-Pickup im Test
11.11.2012

Am 32. Dezember 2014 ist es zu spät. Dann haben Sie es versäumt, sich noch eines der letzten Neuexemplare des Defender zu sichern. Dann wird Land Rover das Modell endgültig in Pension geschickt haben - im Alter von erstaunlichen 68 Jahren.

Seit längerer Zeit bereiten die Briten die Fangemeinde sanft auf das Ende dieser Ära vor. Doch bevor der DC100 - oder wie auch immer der Nachfolger dann heißen wird - auf den Markt kommt, bleibt für uns noch genügend Zeit, sich mit dem Defender zu beschäftigen - und Erfahrungen mit einem der letzten großen Automobilklassiker zu sammeln.

Mit dem Doppelkabiner-Pickup bot uns Land Rover eine der seltensten Defender-Varianten zum Test. Den "110 DCPU". Manche nennen ihn den schönsten Pickup der Welt, manche sprechen eher vom Gegenteil. Die eckige Doppelkabine bietet fünf Personen leidlich Platz, die noch eckigere Ladefläche erlaubt den Transport von halbwegs sperrigem Ladegut. Eine Laderaumabdeckung bestehend aus Plane und Spriegel findet sich nur noch beim Defender.

Eine einzige Motorisierungsvariante, ein Schaltgetriebe mit 6 Gängen. Dazu Getriebeuntersetzung, ein sperrbares Mitteldifferenzial. Gegen Aufpreis gibt es eine elektronische Traktionskontrolle. Sonst hat der Defender-Kunde keine Auswahl beim Antrieb.

Der 122 PS starke, von Ford entwickelte Vierzylinder-Diesel macht seine Sache aber auch recht ordentlich. Sein Drehmomentverlauf kann gefallen, das 6-Gang-Schaltgetriebe ist gut auf seine Kraftentfaltung abgestimmt.

Der 110 DCPU teilt sich mit dem klassischen Station Wagon den kompletten Unterbau - Bodenfreiheit, Radstand und Überhänge sind identisch. Damit ist das Modell im Gelände auch genauso gut wie der Station. Die Untersetzung ist ausgezeichnet kurz, die Achsverschränkung ist bekannt erstklassig und erspart fast bis in den Extrembereich hinein Differenzialsperren an den Achsen.

Der Innenraum. Nein, der Defender hat noch immer keine Airbags. Der Entwicklungsaufwand würde sich für 2 Jahre auch nicht mehr auszahlen - in diesem Zeitraum werden nur mehr 40.000 Neu-Defender die Fabrikshallen verlassen. Der Fahrer sitzt zwischen Lenkrad und Seitentür eingequetscht, der Türgriff liegt am Oberschenkel an, der Längs-Verstellbereich des Sitzes reicht nur Kleinwüchsigen. Die Pedale sind hoch über Grund angebracht, zum Kuppeln muss der gesamte Fuß abgehoben werden. Links vom Kupplungspedal gibt es für ihn keinen Abstellplatz. Am bequemsten sitzt man mit fest nach hinten gedrücktem Gesäß und etwas nach vorn gebeugt, mit dem Oberkörper fast über statt hinter dem Lenkrad.

Trotz all dieser ergonomischen Schrullen spürt man schnell die Erhabenheit, wie sie nur Defender-Fahrer kennen. Ebenso schnell hat man sich dem Rhythmus des Wagens angepasst, wird mit ihm eins. Lässt sich vom täglichen Wahnsinn auf unseren Straßen nicht mehr mitreißen, findet sein eigenes Tempo. Und schließlich seinen eigenen Weg.

Der 110 DCPU spielt in der Liga der allradgetriebenen Pickups nur eine Nebenrolle. Ein Deutscher und viele Japaner dominieren den Markt. Mit glattgebügelten Fahrzeugen, die PKW-Leistungen erbringen und dennoch vollen Nutzwert haben. Auch bei letzterem schneidet der Landy nicht gut ab - er hat im Unterschied zu den anderen unseren "Pritschentest" nicht bestanden: Eine Europalette passt bei ihm hinten nicht drauf. Das quer montierte Reserverad beansprucht auf der ohnehin nur 106 Zentimeter kurzen Ladefläche zusätzlich viel Platz. Reisende werden mit der eckigen Ladefläche in vielen Fällen dennoch gut auskommen - diverses Camping- und Outdoor-Equipment sowie einige Alu-Expeditionskisten finden jedenfalls Platz.

Für noch mehr Ladekapazität bietet sich mit dem "130" ein Fahrzeug mit einem um 20 Zoll längerem Radstand und deutlich größerer, von der Kabine getrennter Ladefläche an.

Bis zum 31. Dezember 2014 haben Sie noch Zeit, sich zu entscheiden. Längstens. Vielleicht sollten Sie aber schon früher zuschlagen - in der Szene heißt es, dass viele, viele Leute planen, sich eines der letzten Modelle zu kaufen.

Das beweist, wie beliebt der Land Rover Defender auch heute noch ist. Und welchen Kultstatus er sich erarbeitet hat. Trotz der erwähnten Anachronismen und Fehler. Oder vielleicht gerade deswegen?

Land Rover Defender 110 DCPU
Die Daten


Motor:
Vierzylinder-Dieselmotor mit Common Rail Einspritzung, 2.198 cm3, 122 PS, 360 Nm

Getriebe: 6-Gang-SchaltgetriebeGetriebe

Länge/Breite/Höhe:
4.439/1.790/2.000mm

Leergewicht:
2.042 kg

Nutzlast:
1.008 kg

Max. Anhängelast:
3.350/750 kg (gebremst / ungebremst)

Verbrauch:
11,1 l (Werksangabe)
C02: 295 g/km


Offroad: permanenter
Allradantrieb mit Geländeuntersetzung, sperrbares Mitteldifferenzial, 25 cm Bodenfreiheit, 50 cm Wattiefe

Serienausstattung Basismodell (Auszug): Wegfahrsperre, Vinylsitze

Zusatzausstattung des Testwagens (Auszug):
4-Kanal-ABS + elektronische Traktionskontrolle, S-Paket (CD-Radio, Teppichboden, elektr. Fensterheber vorne, Zentralverriegelung mit Fernbedienung, Schmutzfänger vorne, Stoffsitze), Verdeckplane mit Seitenfenstern, Ablageboxen zwischen Vordersitzen, Winterpaket (Sitze vorne und Frontscheibe beheizbar)

Basispreis:
31.400,-- inkl. Steuern
Preis des Testwagens:
36.519,20 inkl. Steuern
 

Nachtrag - der "Pritschentest"
 

Länge der Ladefläche  106 cm
Größte Breite der Ladefläche  160 cm
Breite zwischen den Radkästen  92 cm
Höhe des Ladebodens über Grund  83 cm
Höhe der Ladebordwand  53 cm
Höhe Ladebordwand Oberkante über Grund  136 cm

Eine Standard-Europalette (120 x 80 cm) passt in den Defender längs leider nicht hinein. Quer würde sie das prinzipiell, müsste aber über die Bordwand gehoben werden und läge dann nur auf den Radkästen auf. Keine empfehlenswerte Transportmethode, speziell wenn die Palette auch noch beladen ist.

Land Rover Defender110 DCPU

gelaendewagen.at Test Nr. 135
Text und Fotos: gelaendewagen.at



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