Die Türen haben mit einem Geräusch geschlossen, das jedem Tresor zur Ehre
gereichen würde. Bei 15 km/h wurden sie automatisch verriegelt - das hörte
sich an, als hätten Gewehrkugeln die Karosserie getroffen. Nun thront man
hoch über den Belanglosigkeiten des Lebens und betrachtet aus luftiger Höhe
gelangweilt die niedrigen automotiven Lebensformen, die sich vor der
mächtigen Motorhaube wichtig machen wollen. Zwei Lichter, oben auf den
Kotflügeln angebracht, markieren die vorderen Ecken des Fahrzeuges, in ihrer
Würfelform erinnern sie an Grenzsteine. Der Mercedes G - ein mächtiges Auto.
Und in jeder Hinsicht außergewöhnlich.
Sechs Jahre ist es her, seit wir das letzte Mal einen getestet haben. Schon
damals waren wir von seiner Geländegängigkeit schwer beeindruckt. Freuten
wir uns über den Luxus und den Komfort, den er bietet. Und damals wie heute
verblüfft uns der extreme Preis, der es wohl 98 Prozent der Allradfahrer
unmöglich macht, jemals ein solches Auto zu besitzen.
145.000 Euro
kostet der hier abgebildete G 350 CDI Bluetec. Darin enthalten, der Fairness
halber dazu gesagt: Knapp
20.000 Euro Mehrwertssteuer, 15.000 Euro NoVA
und nochmals fast 14.000 Euro "NoVA-Malus" und NoVA-Erhöhung. Die
Republik verdient richtig gut am Verkauf eines G...
Luxus trifft im Mercedes G auf Geländegängigkeit.
Einstiegsleisten aus gebürstetem Alu mit beleuchtetem
"Mercedes-Benz"-Schriftzug treffen auf eine kurze Geländeuntersetzung.
Beheiz- und kühlbare Ledersitze auf drei Differenzialsperren.
Wohlfühlatmosphäre im Innenraum auf eine kantig-urtümliche Karosserie. Das
ist das "Konzept G", wie Mercedes es aktuell realisiert. Ohne Kompromisse
beim Komfort, ohne Abstriche bei der Leistungsfähigkeit abseits befestigter
Straßen.
Das alles kostet viel Geld - und macht auch richtig Spaß: Mit dem 211 PS
starken V6-Dieselmotor versorgt Mercedes den G mit der gerade richtigen
Dosis Power und mit einem mehr als adäquaten Sound. Erstaunlich und
wunderbar, wie ruhig der Motor bei hohem Autobahntempo seinen Dienst
verrichtet und wie akustisch präsent er beim Geländeklettern seine Kraft ans
Getriebe bringt. Das Automatikgetriebe passt exzellent dazu. Die sieben
Gänge mittels Schaltpaddles hinter dem Lenkrad händisch anzuwählen, probiert
man anfangs aus, lässt es dann aber schnell bleiben. Der Automat erledigt
das in den allermeisten Fällen besser und effizienter. Den offiziell
angebenenen Kraftstoffverbrauch von 11,2 Litern auf 100 Kilometer konnten
wir in unserem Test übrigens nicht erreichen. Bei uns verschwanden im
Schnitt zwei Liter mehr aus dem Tank.
Innenraum
Was der neuen Generation der G-Klasse ungemein gut getan hat: Dass der
Innenraum deutlich überarbeitet wurde. Wirkten viele Bedienelemente und
speziell der Navi-Bildschirm im Vorgängermodell noch ein wenig verkrampft
auf die eckig-kantige Kulisse des Cockpits aufgepfropft, ist das
Instrumenten-Ensemble nun deutlich ansprechender und vor allem
ergonomischer.
Serienmäßig bietet der G unter anderem das gut zu bedienende
"COMAND"-System, mit dem sich alle wichtigen Fahrzeugfunktionen plus Radio
und Navi bedienen lassen. Bi-Xenon, Tagfahrlicht und beheizte Sitze sind
ebenfalls immer mit dabei.
Unserem Testwagen hatte Mercedes zusätzlich alle nur erdenklichen Extras
spendiert. Besagte (beheiz- und kühlbare) Ledersitze, ein Harman Kardon
Audiosystem, ein radarunterstützter Tempomat und eine Einparkhilfe mit
Rückfahrkamera fehlten ebensowenig wie eine Standheizung, ein
Glas-Schiebedach und diverse Alu-, Chrom- und Holzzierteile.
Offroad
"G" steht bekanntlich für "Geländewagen". Und auch wenn die hübschen
Alufelgen, der niedrige Reifenquerschnitt und die Schwellerrohre den Neuen
optisch weicher machen als die Urmodelle, ist die G-Klasse ein solcher
geblieben. Und was für einer.
Drei Differenzialsperren ab Werk sind ein Alleinstellungsmerkmal, das den
Wagen trotz Straßenprofils zum Fast-Allesüberwinder macht. Die
Getriebeuntersetzung ist schön kurz und kann auch im Fahren - bis 40 km/h -
zugeschaltet werden: Getriebe auf Neutral, auf den Schalter "Low Range"
(gleich hinter dem Getriebewahlhebel) gedrückt, zurück auf "Drive" schalten
- das geht nach wenigen Versuchen flott von der Hand. Die drei Sperren - für
das Mittel-, Hinter- und Vorderachsdifferenzial sind auf Knopfdruck und
ebenfalls während der Fahrt einlegbar, allerdings nur in Untersetzung. Sie
kompensieren die im Vergleich zu anderen echten Offroadern nicht überragende
Verschränkungsfähigkeit der Achsen locker.
Grobstollige Reifen wären ein Sicherheitsrisiko, das gut kalkuliert werden müsste.
Fordern Enthusiasten eine "ordentliche", sprich grobstollige
Geländebereifung, darf nicht vergessen werden, dass das Fahrwerk bei der
Kraft des Motors keinen leichten Job hat. Selbst die serienmäßig montierten
reinen Onroad-Reifen (Yokohama Geolandar H/T) quietschen trotz des guten ESP
ziemlich früh. Dazu sind die Wankneigungen des G nicht unbedeutend.
Grobstollige Reifen wären ein Sicherheitsrisiko, das gut kalkuliert werden
müsste. Dazu kommt: viele Offroad-Reifen sind gar nicht für die
Geschwindigkeit zugelassen, die der G fahren kann (175 km/h)...
Die Offroad-Freaks seien beruhigt - denn die wohl wichtigste Erkenntnis aus
unseren Testfahrt ist: Der G kommt mit Straßenreifen weiter als die meisten
anderen Geländewagen. Und weiter, als sich die meisten Fahrer trauen,
glauben Sie uns.
Bei uns bleibt die Erinnerung an ein komplettes Fahrzeug, das on- wie
offroad Erstaunliches leisten kann. Das in puncto Ausstattung keine Wünsche
offen lässt, die Geld kaufen kann. Wir haben uns gefreut, dieses
außergewöhnliche Automobil wieder einmal pilotieren zu dürfen. Nur ein
bisschen schade, dass der G immer einer winzigen Elite vorbehalten bleiben
wird.
Jetzt, wo wir den Wagen wieder an Mercedes retournieren müssen, bleibt zu
sagen: Niedrige automotive Lebensformen, wir kommen wieder. Leider.
