Testberichte

Bentley Bentayga

The Power & The Glory

Schiere Größe, schiere Kraft, schiere Gediegenheit. Die Luxus-Marke Bentley markiert ihre SUV-Premiere mit dem monolithischen Bentayga. Und setzt erstmalig auch auf einen Diesel.
24.09.2016
Mit einem Bentley fährt man nicht. Man erscheint. Ob bei Tag oder Nacht, ob in der Stadt bei 50 oder auf der Autobahn bei 250 km/h (dort wo's noch zulässig ist), ob mit einem älteren oder mit einem neuen Modell.


Sein Erscheinungsbild monolithisch zu nennen ist durchaus passend

Das Wort Erscheinung charakterisiert den Bentley Bentayga, das erste Sports Utility Vehicle der Edel-Marke in besonders umfänglicher Dimension. Alleine mit seiner Länge von 5,14 Metern überragt er das Feld der hochklassigen SUV-Modelle. Sein Erscheinungsbild monolithisch zu nennen ist durchaus passend, denn nach einem solchen - dem Roque Bentayga auf der Kanaren-Insel Gran Canaria - ist er benannt.

Das Vokabel "kolossal" beschreibt ihn weniger treffend, denn das ginge mit einer gewissen Plumpheit einher. Die man dem großen Engländer nicht vorwerfen kann: Allerspätestens dann, wenn es sportlich-engagiert durch kurviges Landstraßengeläuf geht, entwickelt der Riese aus Crewe, England, dem Stammsitz von Bentley und dem Produktionsort des Bentayga, eine unglaubliche Leichtfüßigkeit, ungeachtet seiner ab 2365 Kilo Gewicht, die zum Teil der bekannt gediegen edlen sowie luxuriösen wie umfangreichen Ausstattung und Inneneinrichtung zuzuschreiben ist.

Es stimmt schon, dass am gewaltigen Schub der machtvolle Vortrieb des Sechsliter-W12-Benzinaggregats mit 608 PS (ab 5000 U/min) samt 900 Nm Maximaldrehmoment (ab 1450 U/min) im Verein mit der unmerklich und blitzschnell schaltenden Achtstufen-Automatik sowie dem heckbetont ausgelegten Allradantrieb den Hauptanteil hat. Doch ist der derzeit stärkste und auch schnellste - er sprintet in 3,9 Sekunden von null auf hundert, und er kann bis zu 301 km/h schnell sein - seiner Klasse einerseits agil wie ein Sportwagen, andererseits offroadtüchtig wie ein Geländewagen.

Dem zugrunde liegt die penible Vorbereitung auf ein weit gespanntes Einsatzgebiete-Spektrum, das von homogen asphaltierten deutschen Autobahnen über kurviges Gebirgsterrain bis zu tiefsandigen Wüsten reicht. Entwickelt und getestet wurde der Bentayga auf unterschiedlichsten Terrains, vom Hochgeschwindigkeits-Oval in Nardò in Apulien bis zur höchsten Sanddüne der Welt, der Sossusvlei in Namibia.

Seinen ersten aktiven Österreich-Auftritt absolvierte er im späten Frühjahr im Rahmen der Kitzbüheler Alpenrallye. Außer Konkurrenz reihte er sich unter anderem zwischen einige seiner Ahnen ein - 3 Litre und 4 1/2 Litre Speed Model, Continental Type-R Mulliner Fastback - und folgte dem Roadbook der "Zillertal-Runde".

Das hieß, grob umrissen: Kitzbühel - Gerlos - Pertisau - Zillertal - Kitzbühel. 260 Kilometer lang. Aufsehen erregend dynamische Figur machte er in den Kehren der Gerlosstraße, und seine deutlich mehr als zwei Meter Breite (mit ausgeklappten Außenspiegel) korrespondierte haargenau mit der Vegetation, die das schmale Asphaltband auf den Höhen des Zillertals säumt. Dazu muss angemerkt werden, dass das gefahrene Modell unter anderem mit der elektrischen, über das zusätzliche 48-Volt-Bordnetz generierten Wankstabilisierung und dem vollen Konvolut an On- sowie Offroad-Fahrprogrammen bestückt war (beide Features sind Aufpreisposten).

Tags darauf musste der Brite zeigen, dass er Zurückhaltung üben kann: auf dem Weg von Kitzbühel nach Wien, des engen Zeitplans wegen musste es weitgehend über die mit Tempolimits gespickte Westautobahn gehen. Doch gilt für Bentleys generell, somit auch für den Bentayga, die Prämisse: Ich könnte schneller (oder sehr, sehr schnell), wenn ich wollte.

Aber es muss nicht sein. So kann man das gediegene Ambiente aus ausgesucht feinem, von Hand genähten Leder, edlen, manuell bearbeiteten Hölzern und massiven echten Metallen umso länger genießen und bei völliger Absenz von Fahr- und Windgeräuschen zum Beispiel dem klassischen Sonntagvormittagskonzert von Österreich 1 aus der High End-HiFi-Anlage lauschen. Noch genussvoller ist das, wenn der Fahrersitz mit Massagefunktion ausgestattet ist. Bei Pausen auf belebten Autobahnstationen muss man allerdings etwas Zeit einplanen. Der Engländer bleibt nie unbesehen und will ausgiebig betrachtet werden.


Also sprang vorsichtshalber der junge Bentayga ein...

Seine Talente, es mit weniger feinem Untergrund als Asphalt ebenso souverän aufzunehmen waren ein paar Tage später gefordert. Trotz anstehenden Sommerbeginns hatte das Wetter zwischenzeitlich April-Allüren entwickelt und auf November-Atmosphäre geschaltet. Im Zuge der Fahrpräsentation des Limousinen-Flaggschiffs von Bentley, des Mulsanne, stand ein Abstecher zur Hahnenkamm-Lode auf dem Programm.

Das schmale Wald- und Bergsträßchen dicht am Berghang entlang hätte an den fast 5,60 Meter langen Engländer fast unerfüllbare Anforderungen gestellt. Also sprang vorsichtshalber der junge Bentayga ein. Und der meisterte die engen Spitzkehren an den steil aufragenden Berghängen mit lässiger Nonchalance, ungeachtet der schlammig-glitschigen Pfade, der tief ausgewaschenen Fahrspuren und des hartnäckig-klebrigen Bodennebels.

Einer Ausdauer-Probe der ausgesucht weiten und langen Art stellte sich der imposante und potente Engländer inzwischen ebenfalls. Im Rahmen der "Extraordinary Tour" absolvierte ein Bentayga-Team Anfang Juli in knapp drei Wochen die 10.000 Kilometer lange Strecke vom Nordkap bis Gran Canaria, um sich dem bereits erwähnten Taufpaten - dem gleichnamigen, 1404 Meter hohen Monolithen - gegenüberzustellen. In siebzehn Etappen ging es durch Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, Deutschland, die Tschechische Republik, Österreich, Italien, Frankreich und Spanien.

Die Wetter- und Temperaturen-Bandbreite reichte von nordisch-kalt und regennass bis wüstenartig-heiß und staubtrocken. Die Straßenzustandsvielfalt umspannte vom feinsten Asphalt bis zum sehr groben Schotterpfad alle Spielarten.

Echte Eis- und Sand-Wüsten hatte der Bentayga auf dieser Fahrt nicht zu meistern. Doch was das betrifft, offeriert Bentley im Kundenprogramm einschlägige "Extraordinary Touren": entweder ins ewige Eis Nordfinnlands oder in die grobsteinigen Wüstengebiete von Chile und Bolivien.

Für diese Abenteuer steht fürs erste die Start-Motorisierung, der W12, bereit.


Eine absolute Premiere in der Geschichte von Bentley:
ein Diesel für den Bentayga


In den Startlöchern scharrt derzeit eine motorische Alternative, eine absolute Premiere in der Geschichte von Bentley: ein Diesel für den Bentayga. Es ist ein Vierliter-V8 mit dreifacher Aufladung. Ein Twinturbo wird zusätzlich von einem elektrisch betriebenen Kompressor beatmet. Daraus ergibt sich ein Leistungsniveau von 435 PS (ab 3750 U/min) plus einem Drehmoment-Maximum von 900 Nm (ab 1000 U/min.). Und selbst wenn der Bentayga mit Selbstzünder die Power & Glory der Motorleistungswerte mit einem Konzernbruder teilen muss: Die Fahrleistungen sind auch mit dem Diesel-Antrieb "extraordinary" - 0 auf 100 in 4,8 sec., 270 km/h Top-Speed.

Schneller ist derzeit kein anderer Diesel-SUV. Um seine Verbrennungsart macht er nicht viel optischen Aufhebens: Er ist am schwarzen Kühlergrill, den Auspuffendrohren und am seitlichen V8-Diesel-Schriftzug vom Benziner zu unterscheiden. Unterscheiden wird er sich nicht nur in der Leistung vom W12-Bruder. Während bei diesem mit - wie erfahren - rund 14 Liter Verbrauch pro hundert Kilometer zu kalkulieren ist (Werksangabe: 13,1 Liter) soll der Selbstzünder mit 7,9 Liter auskommen können. Selbst wenn es 8,5 sind, wären theoretisch tausend Kilometer pro (85-Liter-)Tankfüllung möglich.

Die Ab-Preise für den Bentley Bentayga in Österreich: Benziner ab 270.240 Euro, Diesel ab ca. 219.000 Euro. Nachgereicht wird im kommenden Jahr eine Plug-In-Hybrid-Variante mit V6-Benziner.



Fotos: Bentley
Text: GELAENDEWAGEN.AT / Beatrix Keckeis-Hiller


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