Testberichte
Jaguar E-Pace
Junior-Jag
Für einen ersten Auslauf hat Jaguar den E-Pace nach Korsika geschickt.
24.01.2018
Der jüngste Jaguar ist auf Wildern in kurvigem Revier gepolt. Auch jenseits des Asphalts setzt er talentiert seine Krallen ein.

Es ist schon die vierte Begegnung mit dem E-Pace. Auf dem Parkplatz des Airports von Figari, dem südlichsten Flugzeug-Landeplatz von Korsika, steht Mitte Jänner ein ganzes Rudel der Junior-Jaguare start- und sprungbereit. Für die Jagd nach Kurven. Von denen die Mittelmeerinsel angeblich tausend, aber in Wahrheit mit Sicherheit tausende hat. Das ist das verordnete Revier für die Premierenfahrt der jungen Kätzchen, die sich gerade warm schnurren. Während wir das Gepäck verstauen und das Navigationssystem programmieren erinnern wir uns. Ans erste Mal, im Scheinwerferlicht der Docks von London. Ans zweite Mal, in Wiener Neustadt. Ans dritte Mal, auf der Vienna Auto Show.

Damit sind wir bereits vorinformiert und bestens präpariert. Damit sind wir mindestens ebenso ungeduldig wie die brandneuen E-Paces, die im südlichen Sonnenlicht darauf warten, endlich, endlich von der Leine gelassen zu werden. Die einzige Entscheidung, die noch getroffen werden muss: Benziner oder Diesel? Der eine mit 300, der andere mit 240 PS, beide mit Top-Ausstattung und Top-Allradsystem (auf Heckantriebscharakter ausgelegt, mit zwei elektronisch gesteuerten Lamellenkupplungen).

Wir nehmen zuerst den Blauen. Der nimmt Benzin. Den Roten, den mit dem Diesel-Antrieb, heben wir uns für später auf. Ob Otto oder Rudolf: Bevor es losgeht horchen wir die Engländer noch ab. Ob sie tatsächlich einen steirischen Akzent haben. Denn sie sind vor kurzem in Graz, bei Magna Steyr, vom Band gerollt. Die Erkenntnis: Steirisch sprechen sie nicht. Aber man könnte meinen, ein Hauch der Grünen Mark wehte einem um die Nase.

Im korsischen Winter bei + 15 Grad
Oder ist es doch der Duft der Macchia, die auch im korsischen Winter omnipräsent ist? Ebenso wie die zahllosen Kreisverkehre, die nicht nur auf dem französischen Festland, auch auf den Inseln so zahlreich sind wie die versprochenen Kurven. Die sind aber auf alle Fälle die optimale Gelegenheit, gleich die Handling-Willigkeit auszuloten. Da wird der Kleine, der mit seinen knapp 4,4 Metern Länge so klein gar nicht ist, sofort putzmunter. Obwohl die Getriebestufe erst auf "D" und der Fahrmodus erst auf "Normal" steht. "Eco" haben wir kurz probiert. Ok. Das ist vorerst nicht gefragt. "Regen/Eis/Schnee" testen wir später - die Straßen sind staubtrocken. Der stürmische Wind und Temperaturen rund um die fünfzehn Grad (plus!) sorgen dafür.

Schnell steigen die Sträßchen auf Korsika an. An Ebenen hat die Insel nicht viel zu bieten. Dafür Gebirgiges, bis zu 2.170 Meter Höhe. Und bezahlt wurden die Wege-Erbauer offenbar nach Kilometern. Das Vokabel "Gerade" wird zum Fremdwort. Dessen Nicht-Bedeutung der Junior-Jag und wir im straff programmierten "Dynamic"-Modus (der ist in Einzelparametern individuell konfigurierbar) des adaptiven Fahrwerks und in der sportlichsten Fahrstufe - "S" - auf den Grund gehen wollen.

Der Zweiliter-Benziner faucht verhalten, so als würde ein Kätzchen ein erstes Brüllen üben. Die Lenkung hat sich stramm gestellt. Die Federung/Dämpfung lässt keine Bodenunebenheit unkommentiert (die montierten 20-Zöller sind auch nicht dazu angetan), doch drückt sie jeden Mugel kommentarlos trocken durch. Poltern, Stoßen oder gar Versetzen ist nicht. Dass man das Gaspedal mit Gefühl betanzen muss, weil bei unsensiblem Treten sich die Automatik verhaspeln könnte, das kennen wir schon vom Bruder Range Rover Evoque.

Spielen. Mit den Kurven.
Man darf den E-Pace aber auch nicht streicheln. Er will sowieso nur eins: Spielen. Mit den Kurven. Viel Dreharbeit am Volant ist dabei nicht gefordert. Über minimalistisches Einlenk-Dirigat geführt tänzelt der Jung-Brite um die nahezu ununterbrochene Abfolge von Ecken wie ein junges Kätzchen auf der Jagd nach Schmetterlingen. Das jedoch präzise kontrollierbar und fast schon stoisch spurtreu. Umgreifen ist maximal in ganz, ganz engen Kehren nötig. Schwänzeln tut er dabei kaum, dazu muss man ihn erst forciert provozieren. Schwanken ist erst recht nicht.

Ebenso glasklar in den Rückmeldungen wie die Lenkung und die - neu konstruierte - Vorderachse sind die Bremsen. Überhaupt gibt der E-Pace in der Bedienung keine Rätsel auf, schon gar nicht, wenn man die Limousinen - XJ und XF -, den Sportler - F-Type - und den auch noch blutjungen größeren SUV-Bruder - F-Pace - schon kennt. Die enge Land Rover-Verwandtschaft, die zum Range Rover Evoque (und zum Discovery Sport) fällt optisch an keinem Eck und Ende auf. Im Interieur kennt man das 12,3-Zoll-TFT-Display sowie den 10-Zoll-Touchscreen für Infotainment und Navigation ebenfalls schon gut aus den Jaguar-Brüdern.

Eine E-Pace-Eigenheit unter den aktuellen Jaguaren, die er mit dem F-Type gemeinsam hat, ist die Schalt- oder Fahrstufen-Justierung per Hebel (statt Drehregler). Dazu gehört der Schalter für die Wahl der Fahrmodi. Die, wie bereits beschrieben, auch eine Offroad-orientierte Abstufung offerieren. Die wir auf schlammigen Pfaden und beim Durchqueren eines Flüsschens einschalten. Das Wasser war nicht allzu tief, es hätte durchaus bis zu einem halben Meter hoch stehen können, denn so viel beträgt die Wattiefe. Wahrscheinlich hätte die souveräne Traktion auch ohne Schlechtwege-Modus funktioniert, aber was an Bord ist, das wird genommen. Wenig gefordert war auf einer Schotter-Sektion auch die Bodenfreiheit (204 Millimeter).

Wie es ein junger Jaguar tun soll.
Ein Leichtgewicht ist er nicht. Dazu trägt die stählerne Frontantriebs-Baubasis von Konzern-Bruder Evoque bei. Trotz Aluminium-Teilen wie Motorhaube, Dach und Heckklappe wiegt der Junior-Jag je nach Motorisierung zwischen 1.775 und 1.926 Kilo. Die 300-PS-Konfiguration des Zweiliter-Biturbo-Benziners strengt sich damit aber nicht an. Erst recht nicht der 240-PS-Diesel (der Rote). Der besticht durch sein Maximal-Drehmoment von 500 Newtonmetern (100 mehr als sein Otto-Bruder). Damit inhaliert er die steilsten Steigungen spielerisch wie es ein junger Jaguar tun soll. Ob Benziner oder Diesel: Verbrennungsgeräusche dringen nicht in den Innenraum. Sehr sensible Gemüter spüren lediglich die einen Hauch präsenteren Vibrationen des Selbstzünders.

Zu den Fahr- addierte Jaguar mit einem Radstand von 2,861 Metern und einer Außenbreite von fast zwei Metern eine Reihe von Praxistalenten: Es lässt sich auch auf der Fondbank gut aushalten. Die Kofferraum-Dimensionen - 557 bis 1.234 Liter - liegen im klassenüblichen Rahmen, Netze und Verzurrösen halten Gepäck fest im Griff. Die Staufächer in den Türen und zwischen den Vordersitzen nehmen größere Getränke-Gebinde locker auf. Die Zahl der USB- und 12-Volt-Anschlüsse ist mit fünf beziehungsweise vier ebenso wie Business- als auch Familienreise-freundlich. Die maximale Anhängelast kann bis zu 1.800 Kilo betragen.

Dass die kompakte SUV-Interpretation der Engländer fein ausgestattet werden kann, das ist Art des Hauses: Abgesehen von Ledermöblierung kann ein – getöntes - Glas-Panoramadach an Bord sein, Matrix-LED-Scheinwerfer, Headup-Display, 21-Zoll-Räder (die gibt's derzeit in dieser Klasse nur bei Jaguar), Heckklappen-Gestensteuerung, mobiles Internet, elektrisch betätigt ausfahrbare Anhängerkupplung und noch vieles mehr. Nicht sparsam sind die Briten mit elektronischen Helfern. Fahrdynamisch ist das unter anderem ein Torque Vectoring System, eine Wankvermeidung und eine Anfahrunterstützung für rutschige Verhältnisse.

Das Revier des Neo-Briten ist dicht besetzt, mit europäischen und asiatischen Mitbewerbern. Am nächsten kommt ihm, in Bezug auf Exklusivität, Volvos ebenfalls noch taufrischer XC40. In punkto Offroad-Talentiertheit kann ihm - außer seinen Land Rover-Brüdern - aber kein anderer Kompakt-SUV etwas vormachen. Auch wenn anzunehmen ist, dass die Kompakt-Katze eher auf Asphalt anzutreffen sein wird.


Der Jaguar E-Pace wird in Graz bei Magna Steyr gebaut - mit entsprechender Wertschöpfung für Österreich. Die Produktion schafft 2.000 neue Arbeitsplätze direkt im Werk plus zusätzlich circa 4.000 weitere Arbeitsplätze bei den Zulieferern und Dienstleistern.




Fotos: Hersteller
Text: GELAENDEWAGEN.AT /Beatrix Keckeis-Hiller


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