Links lesen wäre hilfreich, aber in Zeiten des "mundgerecht Servierens" ganz langsam:
1 Umgang mit Risiko
Es ist eine Zeiterscheinung, daß jedes Risiko "wegversichert" werden soll oder von irgendjemandem (dem Staat?) verboten werden muß und jeder, der sich hier nicht "herdenkonform" verhält, als Suizidkandidat gilt. Wenn ich in Gegenden reise, die nicht am Standardspielplan eines Reisebüros stehen, gelte ich also in der breiten Öffentlichkeit als solcher.
Damit kann ich leben - Risken einschätzen, vorbeugende Maßnahmen treffen (und ev. nachsorgende vorbereiten) und mich im Fall der Fälle nicht laut beschweren, wenn ich um ein paar Wertgegenstände erleichtert worden bin, gehört bei der Art Reisen zum Handwerkszeug.
2 Öffentliche Meinung und Politik
Österreich war zuletzt im Dezember im Jemen Zuseher einer "Entführung". An sich Lokalkolorit, dessen Wiederaufflammen nicht vorhersehbar war, wäre das Verhalten der Eskorte zu diskutieren gewesen; eine Woche nach den beiden steirischen Architekten war ein deutscher ex-Staatssekretär dran, der aus dem "Metier" kommt un dem man alles außer Leichtsinn vorwerfen kann. Aber was passiert: Die Öffentlichkeit bzw. veröffentlichte Meinung ist über den "Undank" der beiden durch großartigen Einsatz der österr. Diplomaten rasch Geretteten empört - die sind nicht um teures Geld sofort zurückgeflogen, sondern haben die gebuchte Reise mit dem gebuchten Rückflug beendet.
Alle vier Parlamentsfraktionen sind dem Ruf der Massen mehr oder weniger gefolgt und haben begonnen, über Rückzahlungsverpflichtungen oder verpflichtende Rückholversicherungen nachzudenken - jetzt soll genau das im Konsulargesetz verankert werden. Die im Initiativantrag gewählte Definition von Fahrlässigkeit läßt sich zusammenfassen in: Wenn es eine Reisewarnung/einen Reisehinweis gibt und die Reise nicht von einem Reisebüro angeboten wurde, heißt es zahlen.
Exkurs zur Reisewarnung
Die Hinterbliebenen des Opfer des Bombenanschlags von Djerba haben die deutsche Bundesregierung verklagt, weil das Risiko nicht vorhergesehen wurde. Damit ist wohl klar, daß die Beamten übervorsichtig werden (müssen). Aber es gibt auch den gegenteiligen Fall: In Ägypten sind in den letzten Jahren etliche Gruppenreisende bei Anschlägen umgekommen, aber ohne Tourismus bricht in Ägypten die Wirtschaft zusammen, das folgende "revolutionäre Szenario" ist unerwünscht, ergo - keine Reisewarnung.
Conclusio: Ein in vielen Fällen untaugliches Kriterium (Nach Afghanistan oder in den Irak wird ja ohnehin niemand freiwillig fahren wollen)
3 Was die Fernreisegemeinde tun kann
Der breiten Öffentlichkeit werden wir nichts näherbringen können. Die beteiligten Politiker lassen sich ev. überzeugen. Tenor: Der Individualreisende bereitet sich idR ungleich gründlicher vor, ist ein weniger lohnendes Ziel als 30 Pauschalis, die Rückholversicherung ist allein zur Vorbeugung für den Krankheitsfall sinnvoll, und die Kosten eines Diplomaten, der von Muscat nach Sanaa fliegt - wird der Staatshaushalt aushalten.
Und da sind "Reiseberichte" wie der am Anfang dieses Threads absolut kontraproduktiv!
4 Ein trauriger Trend
Ich weiß nicht, wann er begonnen hat und was die Ursachen sind - die Verbreitung von GPS wird wohl mitspielen: Die Egiosten, die die nordafrikanische Wüste als große Schotter- bzw. Sankgrube sehen und sich "austoben", nehmen überhand. Ein ganz großes Tabuthema ist in dem Zusammenhang die Durchsetzung der Füherpflicht in Libyen. Ja, die Agenturen wollten schon immer, aber der Staatsmacht war es lange kein Anliegen - so lange, bis ein paar deutsche "Experten" sich dermaßen eingegraben hatten, daß die Armee ausrücken "durfte", um sie zu bergen. Seither ist es auch dem libyschen Staat ein Anliegen und alle jammern.
Vor rd. 20 Jahren (Teufel, wie lange mich der Sahara-Virus schon befallen hat) war es selbstverständlich, sich von Saharafahrer zu Saharafahrer gegenseitig zu helfen. Vor drei oder vier Jahren war es noch "häufig" und machbar. Die "wir sind wir und was interessiert mich der andere"-Fraktion zerstört auch das. Ich habe in der Affäre um die 2003 in Algerien verschleppten Österreicher wertvolle und auch verzichtbare Erfahrungen gemacht, und die Lehre daraus "trau schau wem" bezüglich der Afrikafahrer stimmt mich noch immer traurig - aber wenn sich jeder der nächste, größte und was-weiß-ich-noch-was ist, gibt es eben keinen Zusammenhalt und keine gegenseitige Unterstützung mehr. Die Vertretungsbehörde wird's schon richten (und den Taxameter anwerfen).
Ich wünsche all diesen "Stars", daß sie nie in eine Situation kommen, wo das doch nicht so schlecht wäre, hoffe auf hinreichend wenig "Eindruck" bei der lokalen Bevölkerung (Zum Gastrecht gehört ein entsprechendes Benehmen, das ist keine Einbahnstraße!) und lokale Behörden, die differenzieren können und nicht generell "dicht machen".
Grüsse,
Peter
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